Wasserstoff ist ein vielversprechender Energieträger, aber explosiv und schwer zu speichern. Doch mit einer neuen Methode können Haushalte das Gas sogar erzeugen und einlagern, ohne dass es gefährlich wird.
Auf dem Tisch stehen fünf kleine Fläschchen, die mit einer zähen Flüssigkeit von fast transparent bis stark gelblich gefüllt sind. Das Besondere an dieser Flüssigkeit ist, dass sie Wasserstoff aufnehmen kann. Je dunkler, desto mehr Wasserstoffatome befinden sich darin. „Mithilfe eines Messgeräts, dem Resonator, kann ich den Wasserstoffgehalt bestimmen. Das passiert, indem ich die elektrische Ausbreitungsfähigkeit in einem Schwingungsfeld messe. Der Resonator zeigt mir an, zu wieviel Prozent das Trägermedium mit Wasserstoff beladen ist“, erklärt Projektverantwortlicher Nico Weiß seine Tätigkeit und die Idee, mit dieser Methode Wasserstoff in größerem Stil für den Hausgebrauch zu nutzen. Wasserstoff ist ein Gas, benötigt deshalb viel Volumen und lässt sich nur mit großem Aufwand effizient speichern. Meist wird es unter hohem Druck oder in flüssiger Form in Tanks gelagert. Das Gute ist, mittels Wind- oder Sonnenkraft kann Wasserstoff regenerativ erzeugt werden und lässt sich als CO2-freier Kraftstoff für Antriebe gut einsetzen. Aufgrund des Gefahrenpotentials nach der Druckgasverordnung ist die Nutzung von Wasserstoff zur Wärmeerzeugung in Häusern allerdings bislang nur in begrenztem Umfang zulässig.
Träge wie Diesel
An der TU Hamburg wird an einer Alternative geforscht, bei der Haushalte selbst Wasserstoff erzeugen und speichern können, ohne, dass es gefährlich werden kann. Nico Weiß erklärt warum: „Die Wasserstoffatome werden dabei chemisch gebunden. Die Hauptrolle spielen Kohlenwasserstoffe, sogenanntes LOHC – Liquid Organic Hydrogene Carriers. Es handelt sich dabei um einen synthetischen Stoff, der überwiegend aus Erdöl hergestellt wird.“ Die Idee ist, dass an den organischen Molekülen der LOHCs die Wasserstoffatome andocken und bei Bedarf wieder abgegeben werden können. Weiß ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Hochfrequenztechnik (IHF). Er deutet auf die verschieden stark gefärbten Fläschchen. „In dieser Speicherform wird der hochreaktive Wasserstoff handzahm und träge, etwa wie ein Dieselöl“, beschreibt Nico Weiß den Vorgang. Über eine temperaturkontrollierte Reaktion kann der Wasserstoff wieder vom LOHC getrennt und gasförmig weiterverwendet werden.
Diesem Prozess liegt die Grundidee zugrunde, den Energiebedarf eines Hauses CO2-frei zu erzeugen. Zunächst indem eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach Strom erzeugt, der dann über eine Elektrolyse Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Für einem Haushalt fungiert die Idee dann als Wärme- und Energiespeicherkonzept. Das LOHC ist wiederverwendbar und kann vermutlich bis zu 1.000 mal be- und entladen werden. „Als Speicher dienen beispielsweise alte Erdöltanks, die sich noch in vielen Kellern befinden“, so Weiß. Klingt einfach und praktisch. Ist das LOHC alt und verbraucht, kann es mithilfe eines Tanklasters ausgetauscht werden. „Das kann man sich wie ein Kreislaufpfandsystem vorstellen“, erklärt Weiß und stellt eine ungefährliche Art der Energiespeicherung dar. So kann die regenerativ erzeugte Energie dann verbraucht werden, wenn sie benötigt wird. Selbst wenn man mit der öligen Substanz in Berührung kommt, passiert nichts, sie ist ungiftig.
Wirkungsgrad erhöhen
Eine Herausforderung bei diesem Konzept ist aktuell das Bestimmen der Wasserstoffbeladung des LOHC im Prozess. Und diese Aufgabe haben das IHF und Nico Weiß im VisPer-Projekt übernommen. „Denn nur, wenn man weiß, wie viel Wasserstoff im LOHC gespeichert ist, kann die Reaktionsgeschwindigkeit geregelt und eine effiziente Speicherung und Freisetzung realisiert werden“, erklärt Ingenieur Weiß. Zusammen mit dem Lehrstuhl für Prozessmaschinen und Anlagentechnik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) forscht er im von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt VisPer am Sensorkonzept, das auf der Interaktion von LOHC mit elektromagnetischen Wellen basiert. Bislang liegt der Wirkungsgrad bei 30 bis 40 Prozent, dafür können die LOHCs den Wasserstoff lange speichern. Nachteil: Auch wenn sich das „beladene“ LOHC gut lagern lässt, benötigt man verhältnismäßig viel davon. In einem Kilo Trägerflüssigkeit befindet sich höchstens 6,2 Prozent Wasserstoff.
Auf lange Sicht lässt sich die Idee, LOHC mit Wasserstoff zu „betanken“ auch auf andere Anwendungen übertragen. Zum Beispiel gibt es Offshore-Windanlagen, die so ausgerüstet sind, dass der dort produzierte Ökostrom direkt in Wasserstoff umgewandelt wird. „Eingelagert in LOHC ließe sich der Wasserstoff per Schiff zu einem Terminal transportieren“, so Weiß. Auch hier wird ein Sensor helfen, den Befüllungsgrad des LOHC zu messen. „Wir haben jetzt die nächste Stufe mit unserer Sensorforschung erreicht. Noch befinden wir uns in der Planungsphase. Danach möchten wir einen Prototyp zu bauen, wie man ihn in einem Einfamilienhaus tatsächlich einsetzen könnte.“ Und vielleicht werden bald die ersten Haushalte ihre Energie auf diese Weise erzeugen und speichern.
VisPer heißt das Projekt, an dem die TU Hamburg zusammen mit der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) an einem Sensorkonzept für alternative Wasserstoffspeicherung forscht, das auf der Interaktion von Kohlenwasserstoffen mit elektromagnetischen Wellen basiert.