Leichtere Schiffe, die sich an die Gegebenheiten auf dem Meer anpassen, können für eine nachhaltigere Schifffahrt sorgen. Möglich macht das die rasant schnelle Datenverarbeitung des Machine Learning.
Wer das Meer versteht, weiß, wie die Schiffe dafür gebaut werden müssen. Wie hoch sind die Wellen, wie stark ist der Wellengang? „Werden solche Daten mit Daten über die Konstruktion von Schiffen verknüpft, lassen sich neue Schiffe optimal an die Gegebenheiten auf dem Wasser anpassen,“ sagt Prof. Norbert Hoffmann. Er forscht in einem interdisziplinären Projekt der Technischen Universität Hamburg und nutzt die Möglichkeiten des Maschinellen Lernens, um die Kennzahlen, die das Meer liefert, mit denen aus dem Schiffbau zu verknüpfen. „Zum ersten Mal können wir konkrete Berechnungen anstellen. Denn es ist möglich, die dafür nötigen riesigen Datenmengen passgenau zu verarbeiten“, so der TU-Wissenschaftler.
Das Projekt „Predicting Ship Hydrodynamics to Enable Autonomous Shipping: Nonlinear Physics and Machine Learning“ verbindet die beiden Institute Schiffbaukonstruktion und -analyse sowie Strukturdynamik, dessen Leiter, Prof. Norbert Hoffmann, Experte für Wellen ist. Bei seiner Forschung wird er vom Schiffbauexperten Dr. Franz von Bock und Polach mit den nötigen Daten aus dem Schiffbau beliefert. In einem ersten Schritt konstruieren die Wissenschaftler aus diesen Daten einen digitalen Zwilling. Er soll ihnen helfen, ein Schiff zu bauen, das sich möglichst optimal auf dem Wasser bewegen kann. Wenn man die Dynamiken kennt, die auf den Schiffskörper einwirken, kann die Konstruktion darauf abgestimmt werden. Von Bock und Polach sagt: „Wir kennen die realen Belastungen, denen die Schiffe auf dem Wasser ausgesetzt sind, gar nicht. Deshalb werden ihre Stahlstrukturen bislang so entworfen, dass sie allen Bedingungen auf jeden Fall standhalten.“ Besonders nachhaltig ist das alles nicht, denn die durchschnittliche Lebensdauer von Schiffen liegt bei höchstens 25 Jahren, dabei könnte man sie mit einer auf die Gegebenheiten abgestimmten Bauweise entscheidend verlängern. Im Fokus stehen für die Forscher mittelgroße Schiffe mit einer Stahlstruktur.
In einem zweiten Schritt hat Hoffmann noch Größeres vor: Er will die gesamte Nordsee so vermessen, dass es zum ersten Mal möglich sein soll, die Bedingungen auf dem Meer in Echtzeit abzubilden und sich die Wissenschaftler nicht mehr auf prognostizierte Mittelwerte verlassen müssen. Hoffmann ist optimistisch und erklärt, wie er vorgeht: „Die Nordsee ist ein relativ kleines Meer mit insgesamt rund 2.000 Wellen, von denen jede zwischen 100 und 200 Meter lang ist. Mithilfe des nautischen Schiffsradars übersetzen wir die gemessenen Daten in Wellenbewegungen, mit denen dann wiederum das Meer als ein gesamtes Wellenfeld erstellt werden kann. Gelingt uns das, können wir die Nordsee deterministisch beschreiben und könnten die Wellenbewegungen in Echtzeit abbilden, so Hoffmann. Das klingt noch visionär, aber die rasant steigenden Verarbeitungsgeschwindigkeiten des Machine Learning zeigen den TU-Wissenschaftlern, dass sie auf einem guten Weg sind.
In diesem Spiel gibt es allerdings eine große Unbekannte, die aktuelle Berechnungen durcheinander bringen kann: den Klimawandel. Er erwärmt die Meere und verändert Wellen, Strömung und auch die Winde. Das lässt sich aus den Klimamodellen ablesen. „Man muss den Seegangszustand kennen“, erklärt Prof. Hoffmann. „Über funkende Bojen und das nautische Schiffsradar bekommen wir sehr viele Informationen über das Zusammenspiel von Meer, Wind und Wellen. Die Daten, die von Bojen und Schiffen gewonnen werden gilt es auszuwerten, wenn wir genaue Wellenprognosen abgeben wollen.“ Zwar beziehen die Wissenschaftler viele der verfügbaren Daten in ihre Berechnungen mit ein, dennoch wird der Vorhersagegrad durch den Einfluss des Klimawandels wieder etwas schwieriger. „Bei unserer Schiffskonstruktion planen wir Sicherheitsfaktoren mit ein, aber wir gehen davon aus, dass deutlich weniger Stahl verbraucht wird, die Schiffe dadurch leichter werden und weniger Treibstoff verbrauchen“, so von Bock. „Wenn sich zusammen mit einer besser an die Wellen angepassten Konstruktion die Lebensdauer der Schiffe entscheidend verlängert, wäre das ein großer Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit aller auf dem Meer eingesetzten Verkehrsmittel.“
Nach Ablauf des interdisziplinären Projekts wollen die Wissenschaftler mit dem DLR-Institut für Maritime Energiesysteme zusammenarbeiten, in den nächsten Jahren den digitalen Zwilling weiterentwickeln und danach erste Schiffsmodelle auf Grundlage der neuen Berechnungen konstruieren.
Das I3-Projekt „Predicting Ship Hydrodynamics to Enable Autonomous Shipping: Nonlinear Physics and Machine Learning“ verbindet die beiden Institute Konstruktion und Festigkeit von Schiffen sowie Strukturdynamik. Das I3-Programm steht für Interdisziplinarität und Innovation in den Ingenieurwissenschaften. Dieses Programm hat zum Ziel, neue interdisziplinäre Projekte zu identifizieren und soweit zu fördern, dass die Projekte anschließend externe Fördermittel einwerben können.
Flugzeuge, die mit Wasserstoff und Brennstoffzellen betrieben werden, könnten dazu beitragen, die Klimaziele einzuhalten. Denn sie produzieren keinerlei Treibhausgase, es wird lediglich Wasser ausgeschieden.
Fliegen könnte so schön sein, wenn nur der CO2-Ausstoß nicht wäre. Für die Zukunft gibt es viele neue Ideen, wie das Fliegen klimagerechter gestaltet werden könnte. Ein vielversprechender Ansatz ist, statt wie bisher Kerosin, Wasserstoff als Kraftstoff zu verwenden. Damit würden dann an Bord installierte Brennstoffzellen betrieben. Deren Aufgabe ist es, elektrische Leistung in Form von Strom zu erzeugen. Das funktioniert so, dass Elektromotoren Propeller für die Schuberzeugung antreiben. Innerhalb dieses Prozesses und während des Flugs fallen keine Kohlendioxid- und Stickoxid-Emissionen an, es entsteht ausschließlich Wasser.
Das Institut für Flugzeug-Systemtechnik (FST) der Technischen Universität Hamburg arbeitet derzeit an verschiedenen solcher klimaneutralen Luftfahrtforschungsprojekte. In Kooperation mit ihren Partnern erarbeiten die Ingenieurinnen und Ingenieure Konzepte und Technologiebausteine, die zu tragfähigen Wasserstoff-Konzeptflugzeugen führen sollen. Zwei von ihnen sind Thimo Bielsky und Vivian Kriewall. Sie erforschen mit den Partnern Airbus und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) elektrisches Fliegen. „Dafür haben wir die Gesamtsystemarchitektur für ein voll-elektrisches Passagierflugzeug entworfen und das Zusammenspiel aller relevanten Einzelsysteme untersucht und virtuell erprobt“, beschreibt Ingenieur Thimo Bielsky das Projekt.
Das Konzeptflugzeug selbst wurde vom DLR entwickelt und entspricht einem Regionalflugzeug, das über eine Design-Reichweite von rund 1000 nautischen Meilen verfügt. Das entspricht 1.852 Kilometern. Mit dieser Reichweite können fast alle derzeitigen Einsätze der Maschine abgedeckt werden, die etwa 70 Passagiere befördern kann. Das Konzeptflugzeug besitzt insgesamt zehn Antriebseinheiten, sogenannte „Pods“, die jeweils Brennstoffzellen, Puffer-Batterien sowie den elektrischen Antriebsstrang beinhalten. Jede Antriebseinheit kann eine Leistung von circa 400 Kilowatt erzeugen. So viel ist nötig, um ein Elektroauto in drei Minuten für eine Reichweite von 100 Kilometern aufzuladen. Den Hauptunterschied in der Konstruktion zu einem konventionellen Flugzeug erklärt Vivian Kriewall: „Die Wasserstofftanks sind nicht in den Flügeln, sondern im Heck des Flugzeugs untergebracht. Um deshalb nicht zu viel Platz zu verlieren, wird der Rumpf des Flugzeugs breiter gestaltet und die Kabine verkürzt“.
Wasserstoff ist ein idealer Energielieferant, aber in seiner natürlichen Form verfügt das Gas über eine vergleichsweise geringe Dichte und benötigt viel Volumen, wenn man es speichert. Um die erforderliche Antriebsenergie zur Verfügung zu stellen, würden die Drucktanks bei einer Speicherung des Gases so viel Raum benötigten wie ein zweiter Flugzeugrumpf. Deshalb behelfen sich die Wissenschaftler mit einem Kniff und kühlen den Wasserstoff im Konzeptflugzeug als Flüssigwasserstoff in vakuumisolierten Tanks auf -253 °C herunter. Dadurch braucht man viel weniger Volumen.
„In einem nächsten Schritt positionieren wir die Komponenten im Flugzeug und verbinden sie mit Wasserstoffrohren, Hydraulikleitungen, Luftschächten oder elektrischen Kabeln“, erklärt Thimo Bielsky. Die Wissenschaftler führen verschiedene Studien durch: Sie können zum Beispiel Parameter wie die Anzahl der Komponenten, ihre Position, ein Druckniveau oder ein elektrisches Spannungsniveau verändern. Das Ziel dabei ist, den Einfluss auf die Systeme selbst aber auch auf Gesamtflugzeugebene zu bewerten. Bei dem Wasserstoffkonzeptflugzeug wurden vor allem Studien in Bezug auf die Energieversorgung im Flugzeug durchgeführt. So wurde untersucht, ob die Brennstoffzellen mit den Batterien in den Pods ausreichen oder, ob Systeme für die Versorgung der Bordsysteme in einem Notfall – die Wasserstoffversorgung fiele aus – erforderlich sind. „Im Vergleich zum herkömmlichen Flugzeug würde das Wasserstoffkonzeptflugzeug um circa fünf Tonnen schwerer werden“, hat Vivian Kriewall ausgerechnet. „Dafür steigt die Gesamteffizienz aber durch die Brennstoffzellen und Batterien um rund 30 Prozent an, weil ihr Wirkungsgrad deutlich höher ist als bei herkömmlichen Antrieben.“
Schlussendlich gilt es für die Wissenschaftler noch ein Sicherheitsproblem zu lösen, denn Wasserstoff an sich ist leicht entzündbar. Sie wollen vermeiden, dass Wasserstoffleitungen durch den bedruckten Bereich der Kabine geführt werden. Außerdem müssen die Ingenieure vom FST-Institut noch untersuchen, wie groß Abstände zu anderen Systemen wie dem elektrischen oder dem hydraulischen System sein müssen, um sicher zu sein. Sind diese Aufgaben bewältigt, kann die Vision vom elektrischen Fliegen, bei dem die Maschinen klimafreundlich und leise durch die Luft gleiten, schnell real werden.
Weitere Informationen finden Sie auf dem LinkedIn-Profil des Instituts für Flugzeug-Systemtechnik.
Containerschiffe, die einen Teil ihrer Fracht verlieren, erleiden nicht nur einen wirtschaftlichen Verlust, jede Havarie führt zu großen ökologischen Schäden. Das Projekt „TopTier“ untersucht, wie Ladungen bei Extremwetter besser geschützt werden können.
Wer schon einmal ein beladenes Containerschiff aus der Nähe betrachten konnte, ist wahrscheinlich beeindruckt von seiner Größe. Bis in den Himmel stapeln sich bis zu 25.000 Stück dieser Stahlboxen auf Deck. Die meisten von ihnen werden ohne Zwischenfall über die Weltmeere transportiert. Doch bei schwerer See kann es vorkommen, dass die Ladung verrutscht und Container über Bord gehen. Sie werden in TEU gemessen, wobei ein TEU einem 20-Fuß-Container entspricht – also etwa sieben Meter lang ist. Das World Shipping Council, eine Interessenvertretung der Reedereien, gab für das Jahr 2020 einen Verlust von 1.400 TEU an. Doch die Zahlen steigen, allein von Oktober 2020 bis März 2021 gingen mehr als 2.500 Container über Bord. Im November 2020 verlor das Containerschiff ONE Apus alleine 1.816 Container und im Januar 2021 beklagte die Maersk Essen einen Schwund von 750 der Metallboxen. Das führt nicht nur zu ökologischen und ökonomischen Schäden, im Wasser treibende Container stellen zusätzlich eine Kollisionsgefahr dar. Die TU Hamburg ist mit ihrem Institut für Konstruktion und Festigkeit von Schiffen mit Versuchen am Industrieprojekt „TopTier“ beteiligt. Ziel des Projektes ist es, die Wahrscheinlichkeit des Verlusts von Containern auf See zu verringern und Verbesserungen der Schiffssicherheit für das kommende Jahrzehnt zu ermitteln.
„Der Containertransport ist für die moderne Weltwirtschaft unverzichtbar. Obwohl die Unfallraten prozentual gesehen extrem niedrig sind, sind die absoluten Zahlen zu hoch. Jährlich gehen mindestens 1.000 Container auf See verloren, und bei Umschlagvorgängen kommen viele Menschen zu Schaden“, erklärt der TU-Projektverantwortliche Prof. Sören Ehlers. In der Vergangenheit kam es bereits zu schweren Schäden an der Meeresumwelt der Küsten. Das hat in der Öffentlichkeit und in der Politik zu Diskussionen über die Sicherheit und die Umweltauswirkungen moderner Containerschiffe geführt – sodass inzwischen sowohl die Politik als auch die Industrie gefordert sind, auf mögliche Probleme bei der Containersicherung zu reagieren.
Doch wieso ist es überhaupt so schwer, die Container auf den Schiffen ausreichend zu sichern? Die Antwort liegt im Bau der Schiffe. Sie sind in den letzten Jahren immer größer geworden, um mehr Fracht aufnehmen zu können. Die Erfahrungen mit neuen Schiffsgrößen, ihren Betriebsbedingungen und Belastungsmechanismen sind deshalb noch begrenzt und im Falle von Extremereignissen wie besonders schlechtem Wetter auf See erhöhen sich diese Unsicherheiten. „Derzeitige Grenzwerte decken nicht alle Faktoren ab, die bei den neuesten Klassen von ultragroßen Containerschiffen eine Rolle spielen. Ein besseres Verständnis dieser Bedingungen und Wirkmechanismen ist daher notwendig“, so Schiffbauexperte Ehlers.
Das TopTier-Projekt ist in mehrere Aufgaben gegliedert. Zunächst geht es darum, die 2020 identifizierten wichtigsten Aspekte der Ladungsstauung und -sicherung auf Containerschiffen zu identifizieren und sie mithilfe von Interviews und Fragebögen mit beispielsweise Reedereien, Schiffsbesatzungen und Terminalarbeitern zu überprüfen. „Anschließend konzentrieren wir uns auf die Frage, wie mit der derzeitigen Praxis der Ladungssicherung umzugehen ist. Hierzu hat der Projektkoordinator MARIN die Schiffe im Wellenkanal getestet und die Schiffsbewegungen gemessen. Aus diesen Daten lässt sich ableiten, wie Größe, Ladung und Beladungszustand unter bestimmten Wellenbedingungen reagieren“, erklärt Prof. Ehlers die einzelnen Kriterien. Im weiteren Projektverlauf wird es besonders spannend: Die Forschenden wollen herausfinden, wie es dazu kommt, dass Container verrutschen. Dafür untersuchen sie die Schiffsbewegungen; insbesondere die horizontale Biegung und Torsion, eine schraubenförmige Verdrehung. Diese Effekte werden durch eine Kombination aus Messungen, Modellversuchen und numerischen Studien geprüft. Schließlich spielt auch das Verhalten der Schiffsbesatzungen eine Rolle. Ideal wäre es, wenn sie aktiv Zwischenfälle verhindern können. Die Ergebnisse des Projekts werden an die zuständigen Schifffahrts-Behörden weitergeleitet und dort für alle Beteiligten umgesetzt – damit weiterhin gleiche und sichere Spielregeln sowohl auf See als auch an Land gelten.
Das internationale Projekt wird vom niederländischen Forschungsinstitut MARIN geleitet. Weitere Informationen finden Sie unter https://www.marin.nl/en/jips/toptier.
Alternative Kraftstoffe wie grünes Methanol sind CO2-neutral und können dafür sorgen, dass die Klimaziele in der Schifffahrt eingehalten werden. Ein TU-Verbundprojekt erforscht die Praxistauglichkeit im Detail.
Ob Tanker, Container- oder Kreuzfahrtschiff: Bislang ist es so, dass die gewerbliche Schifffahrt mit fossilem und meist schadstoffbelastetem Schweröl unterwegs ist. Das schädigt die Umwelt und vor allem das Klima. Durch den Einsatz von Abgasreinigungssystemen wie Scrubbern oder Katalysatoren lassen sich Schwefel-, Stickoxid- oder Rußemissionen an Bord von Schiffen bereits heute wirkungsvoll minimieren. Um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen, müssen auch die klimaschädlichen Emissionen wie CO2 deutlich gesenkt werden. Es werden also auf Schiffen klimaneutrale Energieträger gebraucht. Diese Energieträger könnten mittels Power-to-X-Verfahren entstehen. Das sind Wege, verschiedene synthetische Kraftstoffe herzustellen, die in der Gesamtbilanz CO2-neutral auftreten, da der Kohlenstoff zuvor für die Synthese aus der Atmosphäre entnommen wurde. Im Verbundforschungsprojekt E2-Fuels untersucht die Arbeitsgruppe Schiffsmaschinenbau den Einsatz von Methanol und Oxymethylenether (OME) als maritime Kraftstoffe. Dabei liegt der Fokus sowohl auf der landseitig notwenigen Hafeninfrastruktur und der Bunkerschnittstelle, als auch auf dem Kraftstoffsystem an Bord.
Thilo Jürgens-Tatje betreut im Schiffsmaschinenbau das Projekt E2-Fuels. Er möchte gerne daran mitwirken, weg vom Diesel oder fossilem Gas und hin zu klimaneutralen Antriebsstoffen zu kommen, die sich für den praktischen Einsatz an Bord eignen. „Eine Elektrifizierung wie bei Autos ist häufig nicht möglich, zu groß und zu schwer wären entsprechende Batterien. Ausnahmen könnten nur kleinere Fähren sein, die auf geringen Distanzen eingesetzt werden. Daher benötigt man als Ausgangsstoff Wasserstoff, der aus regenerativem Strom aus Wind und Sonne erzeugt wird“, erklärt der Wissenschaftler. Doch die Nutzung von Wasserstoff als Schiffskraftstoff bringt einige Nachteile mit sich. So werden für die Speicherung extreme Drücke oder Temperaturen nahe des absoluten Nullpunkts von minus 273 Grad benötigt. Deshalb ist noch ein Umwandlungsschritt zu einem mobilen synthetischen Kraftstoff nötig. Diese Verfahren nennt man Power-to-X. Im kleinen Stil wird Methanol bereits seit längerem als Schiffskraftstoff eingesetzt. Etwa auf Tankern oder Fähren. Es handelt sich dabei um einen flüssigen Alkohol, der gut transportiert werden kann. Und eine weitere positive Eigenschaft aufweist: Im Falle einer Havarie ist kein gefährlicher Ölteppich zu befürchten, das Methanol löst sich einfach im Wasser. Als würde man eine Flasche Schnaps in die volle Badewanne kippen. Aber es gibt natürlich einen Haken: Für die Herstellung ist CO2 nötig, das bei der Verbrennung des Methanols im Motor auch wieder freigesetzt wird. Das ist im Prinzip kein Problem, Zementwerke oder Müllverbrennungsanlagen stoßen ohnehin viel von dem ungeliebten Gas aus. Jürgens-Tatje hat aber das Ziel, den gesamten Prozess klimaneutral zu gestalten. „Man könnte CO2 aus Biogasanlagen verwenden. Somit stünde dem Kreislaufsystem nichts mehr im Weg.
Die große Herausforderung ist es, genügend Methanol aus grünem Wasserstoff beziehungsweise grünem Strom zu produzieren. Um den ganzen Prozess wirtschaftlich zu betreiben, setzt man inzwischen auf Wasserstoff, der mit Hilfe von Sonnenenergie in Äquatornähe produziert und per Schiff zu uns gebracht wird“, erläutert der Schiffbauer. „Strom ist bei uns auf lange Sicht einfach zu kostbar. Dennoch brauchen wir Pilotanlagen auch in Europa, um das Henne-Ei-Problem zu lösen“.
Aber wie kommt der Sprit an Bord? Auch dafür haben die TU-Wissenschaftler eine Lösung entwickelt: „Tankterminals, bei denen sich Container- oder Kreuzfahrtschiffe den Kraftstoff abholen, sind nicht praktikabel. Das dauert einfach zu lange. So untersuchte man das heutige Betankungssystem, bei dem sogenannte Bunkerschiffe dafür sorgen, dass die benötigten Dieselkraftstoffe von großen Tankanlagen an Land zu den jeweiligen Schiffen transportiert werden. Die eigentliche Betankung findet dann „Ship-to-ship“ statt, während das Schiff Ladung aufnimmt oder abgibt. „Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Umrüstung eines konventionellen Bunkerschiffes technisch und ökonomisch darstellbar ist. Auch für ein Tanklager an Land gibt es Flächen im Hafen, die sich hervorragend eignen“, so Jürgens-Tatje.
Heutige Dieselmotoren müssen für die Nutzung von Methanol angepasst werden. Denn Methanol muss wie Benzin gezündet werden, damit es verbrennen kann. Im Gegensatz zu Diesel, der sich, wird er entsprechend komprimiert, selbst entzündet. „Bei großen Schiffsmotoren kann die Zündung jedoch nicht wie im KFZ-Motor über eine Zündkerze erfolgen. Stattdessen wird im richtigen Moment eine kleine Menge Diesel mit einem Injektor eingespritzt um das Methanol zu entzünden.“ sagt Betreuer Jürgens-Tatje. Einen hierfür konzipierten Injektor hat Projektpartner MAN an einem Versuchsmotor untersucht. „Das ist ein Durchbruch. Bald können konventionelle Dieselmotoren relativ einfach umgerüstet werden, so dass diese auch mit Methanol betrieben werden können“, erklärt der TU-Wissenschaftler. Und so könnte sich Methanol als Energieträger durchsetzen. Die dänische Großreederei Maersk macht es vor: Dort hat man bereits 12 neue Containerschiffe mit Methanolantrieb bestellt.