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Preiswerte Medikamente dank innovativer Biokatalyse

Institut für Technische Biokatalyse

Forschende: Jan-Ole Kundoch, Prof. Andreas Liese, Dr. Daniel Ohde

Mithilfe von speziellen Enzymen und einer an der TU Hamburg entwickelten biokatalytischen Methode könnten Arzneien künftig umweltfreundlicher und günstiger hergestellt werden.

Um den folgenden Prozess zu verstehen, müssen wir zunächst in unsere Körperzellen blicken: Jede von ihnen bezieht ihre Energie aus Adenosintriphosphat (ATP). Ein Stoff, der dem Körper als Energieträger dient und deshalb als energetischer Grundbaustein des Lebens bezeichnet wird. Pro Tag benötigt ein Mensch mehrere Kilogramm ATP. Dennoch enthält der menschliche Körper nur zwischen 50 und 200 Gramm des Stoffes. Wie ist das möglich?

Beim Verbrauch von ATP entsteht Adenosindiphosphat (ADP) und ein freies Phosphat. Dabei wird Energie frei, die der Körper nutzen kann. Anschließend wird das ADP wieder zu ATP regeneriert. Dazu wird neue Energie aus der Nahrung benötigt. Dieser Kreislauf findet innerhalb weniger Sekunden statt. Auf biochemischer Ebene stellt ATP also Energie zur Verfügung, mit deren Hilfe Reaktionen ablaufen können, die ohne diese Energiezufuhr nicht möglich wären. Diese Energie wird mit Hilfe von Biokatalysatoren (Enzymen) auf die Ausgangsstoffe der gewünschten chemischen Reaktion übertragen.

Für die Arzneimittelproduktion nutzen

Das alles ist nicht nur in der Natur möglich, sondern auch in der Fabrik. Viele Konsumgüter werden mithilfe chemischer Prozesse hergestellt. Je effizienter und nachhaltiger diese realisiert werden können, um so besser. Denn das spart Geld und Ressourcen. Enzyme stellen eine nachhaltige Alternative zu klassischen anorganischen Katalysatoren dar. Die Biokatalyse wird vor allem bei der industriellen Herstellung von komplexen organischen Molekülen eingesetzt. Beispielsweise in der Arzneimittelproduktion. Einige neu entwickelte Medikamente werden mit Hilfe von ATP produziert. Das ist einfacher und günstiger als die klassische chemische Synthese. Doch die Bereitstellung von ATP ist immer noch hochpreisig.

Daher entwickelte ein Team um Jan-Ole Kundoch, Doktorand am Institut für Technische Biokatalyse, unter Leitung von Prof. Andreas Liese in der Arbeitsgruppe von Dr. Daniel Ohde und in Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen der Bioverfahrenstechnik der TU Dresden im Rahmen eines DFG-Projektes ein besseres Regenerationssystem. Die von ihnen neu entwickelte sogenannte enzymatische Kaskade ist robuster und preiswerter als die bisherige Vorgehensweise. Nun wird als Ausgangsstoff das äußerst günstige Ethylenglykol verwendet, das auch in Frostschutzmitteln eingesetzt wird.

Optimale Reaktionsbedingungen finden

Im Rahmen des knapp vier Jahre laufenden Projekts musste zuerst geklärt werden, ob die anvisierte Vorgehensweise biochemisch überhaupt möglich ist. Dann ging es darum, sie zu verbessern und näher an eine industrielle Skalierbarkeit heranzubringen. Dabei waren vor allem zwei Faktoren relevant. Die Methode muss zuverlässig funktionieren und die Kosten müssen geringer sein als für das bisherige Vorgehen.

Jetzt arbeiten insgesamt fünf Biokatalysatoren gleichzeitig zusammen. Alle haben ihre bevorzugten Umgebungsbedingungen wie Temperatur, pH-Wert, Salzkonzentration, Konzentration des jeweiligen Ausgangstoffes und Produktes. Die große Herausforderung bei Kundochs Projekt bestand daher darin, Reaktionsbedingungen zu finden, unter denen dieses System optimal läuft. „Wir haben bestimmt 1000 Versuche durchgeführt“, berichtet Jan-Ole Kundoch, „und dabei zunächst einmal alle Biokatalysatoren einzeln untersucht und anschließend das System Stück für Stück aufgebaut, indem immer ein weiterer Biokatalysator hinzugefügt wurde. Am Ende habe ich dann das gesamte System untersucht und optimiert.“

Kundoch resümiert: „Biokatalyse bietet in diesem Fall eine gute Alternative zur klassischen Chemie, die oft zurückgreifen muss auf giftige und umweltschädliche Lösungsmittel, die bei hohen Temperaturen zum Einsatz kommen.“  Neben dem niedrigeren Lohnniveau sind weniger strenge Umweltauflagen Gründe dafür, dass ein Großteil der Pharmaproduktion heute in Indien oder China stattfindet. Die neue ATP-Synthese würde somit das politische Ziel erleichtern, wieder mehr Medikamente in Europa herzustellen. Zugleich sänken die Produktionskosten, was das Gesundheitssystem entlastet und die Versorgung der armen Weltbevölkerung mit lebensnotwendigen Medikamenten ermöglicht.

„Im Übrigen kann man auf diesem Weg zukünftig Stoffe herstellen, die rein chemisch gar nicht synthetisiert werden können“, ergänzt Kundoch. Das heißt, es können ganz neue Heilmittel erfunden werden.

Weitere Informationen

Mehr Informationen finden Sie unter TUHH Open Research

Preiswerte Medikamente dank innovativer Biokatalyse