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Klimafreundlich und vegan: Pflanzliche Milchpulveralternativen

Forschende: Kathrin Kramm

Milchpulver auf Pflanzenbasis findet zunehmend Eingang in die Lebensmittelproduktion. Problem bislang: Das Pulver neigt zur Klumpenbildung, wenn es wieder verflüssigt wird. 

Soja-, Hafer- oder Reismilch: Die Relevanz von pflanzlichen Milchalternativen ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Aufgrund von gesundheitlichen, ökologischen oder tierschutzrechtlichen Aspekten tendiert eine zunehmende Anzahl an Verbrauchern zu pflanzlichen Alternativen zur herkömmlichen Kuhmilch. Sojamilch beispielsweise verursacht 3,2-mal weniger CO2-Emissionen und weist einen über 20-mal geringeren Wasserverbrauch auf als die Herstellung von Kuhmilch. Zusätzlich kann man die pflanzlichen Alternativen mit Nährstoffen und sekundären Pflanzenstoffen, Ballaststoffe genannt, anreichern. Sie wirken sich positiv auf die Gesundheit aus.
In der Lebensmittelindustrie lässt sich zudem die Entwicklung beobachten, dass pflanzliche Milch in Pulverform im Vergleich zum natürlichen flüssigen Produkt zunehmend an Bedeutung gewinnt. „Das Pulver bietet einige Vorteile: Es weist nicht nur eine bessere physikalische und chemische Stabilität auf, es lässt sich einfacher abwiegen, effizienter transportieren und kommt mit einem geringeren Lagervolumen als flüssige Milch aus“, erklärt Kathrin Kramm, Doktorandin am Institut für Feststoffverfahrenstechnik und Partikeltechnologie. In den pflanzlichen Milchalternativen werden tierische Fette durch pflanzliches Öl ersetzt: Somit wird unter anderem bei der Zubereitung von Milchkaffee die Schaumbildung gewährleistet. Weiterer Vorteil der pflanzlichen Pulveralternative ist, dass das Öl deutlich länger haltbar ist und nicht ranzig wird und sich keine Bakterien anlagern, weil es in den Partikeln verkapselt und so geschützt ist. Zudem können die pflanzlichen Pulver in zahlreiche Produktsysteme, wie Süßigkeiten, Instantprodukte wie Kakaopulver oder sogar Säuglingsanfangsnahrung, integriert werden. Kramm führt aus: „Auf diese Weise könnten viele Fertigprodukte als vegane Alternative produziert werden und das günstiger und ökologischer“.

Neigung zur Klumpenbildung

Bisher gab es jedoch eine Schwierigkeit in der Produktion: Im Vergleich zu konventionellen Milchpulvern stellen die pflanzlichen Alternativen Herausforderungen dar, die in der Regel auf die pflanzlichen Inhaltsstoffe zurückzuführen sind. „Sollen die Pulver wieder aufgelöst werden, neigen sie zur Klumpenbildung und damit zu einer unvollständigen Rehydrierung der Pulver, was für die Produktanwendung nicht akzeptabel ist“, sagt Wissenschaftlerin Kramm. Grundsätzliches Problem ist, dass pflanzliche Proteine grundsätzlich hydrophober, also wasserabweisender im Vergleich zu tierischen Proteinen sind. Die Verfahrenstechnikerin erklärt, wie sie technisch dagegen vorgeht: „Ziel ist es, das Pulver wieder in eine homogene Flüssigkeit zu verwandeln. Um die Auflösung zu optimieren, müssen deshalb die pflanzlichen Feststoffpartikel gezielt strukturiert werden. Dies erfolgt durch die Bildung von Agglomeraten. Bei der Agglomeration werden Primärpartikel zu größeren, porösen Sekundärpartikeln verbunden, die eine brombeerartige Partikelstruktur aufweisen. Heißt: Man schafft mehr Poren, indem man nicht einzelne Kügelchen, sondern viele Kugeln zu einer Struktur „zusammenklebt“. In dieses brombeerartige Konstrukt kann viel mehr Wasser eindringen, das Pulver löst sich leichter auf. „Diese Struktur ermöglicht neben der Optimierung des Auflöseverhaltens eine verbesserte Fließfähigkeit des Produktes und eine definierte Stabilität“, sagt Kramm.
 
Das Forschungsprojekt wurde mit dem industriellen Schweizer Kooperationspartner Nestlé S.A. durchgeführt. Im Labor wurde gezielt daran gearbeitet, Partikel mit optimierten Auflösungseigenschaften herzustellen. „Das hierfür verwendete Verfahren wird beispielsweise bei Tabletten angewendet, damit diese sich erst im Magen und nicht schon im Mund auflösen“, erklärt Kathrin Kramm. Dafür hat die Wissenschaftlerin den Materialeinfluss auf die Bildung, Struktur und Charakteristiken der agglomerierten Pulver hin untersucht. Der Schwerpunkt wurde dabei auf die pflanzliche Protein- und Ballaststoffkomponente in der komplexen Formulierung der pflanzlichen Milchalternativen gelegt, da bis dato keine Literaturdaten zur Verfügung stehen. Bislang gibt es keine zufriedenstellenden Untersuchungen und Ergebnisse für die Verbesserung der unterschiedlichen Produktionsprozesse wie etwa von pulverförmigen Milchalternativprodukten, von Emulsionen, von sprühgetrockneten Alternativen, bei der die Einzelpartikel hergestellt werden sowie von Wirbelschichtagglomeration (Brombeerstruktur). 

Die perfekte Auflösung

Da die einzelnen Prozessschritte neben den Materialeigenschaften das Produkt beeinflussen, hat Kramm diese im Detail analysiert und Erkenntnisse für ein gezieltes 
Partikeldesign generiert. Um die Strukturierung in Abhängigkeit der Oberflächenzusammensetzung der Partikel auf Mikroebene zu verstehen, wurden zudem numerische Methoden zur Modellierung und Analyse einer Partikelbindung genutzt. Die gewonnenen Resultate wurden auf den Makromechanismus in der Wirbelschicht übertragen, und durch Einstellung definierter Prozessparameter verschiedene Produktstrukturen erzeugt. Durch weiterführende Untersuchungen konnte eine Korrelation zwischen der Partikelstruktur, -größe und des Auflöseverhaltens der Pulver generiert werden. Mithilfe dieser „Formel“ lässt sich die Produktion im Labor auf einen industriellen Maßstab übertragen – unabhängig von der verwendeten Produktionsanlage. Verfahrenstechnikerin Kramm fasst das Ergebnis so zusammen: „Das Projekt ermöglicht eine Implementierung der Ergebnisse auf komplexere Produktsysteme von pflanzlichen Milchpulveralternativen in der Lebensmittelindustrie, die durch ein effizientes Partikeldesign bei Anpassungen im Herstellungsprozess gekennzeichnet sind.“ 

Weitere Informationen:

www.tuhh.de/spe/research
 

Milchpulver wird von einem Löffel in eine Schüssel gegeben
Foto: Unsplash/Mathilde Langevin