Mithilfe der Biokatalyse kann Futterpflanzen Phosphor entzogen werden. So lassen sich nährstoffreiche Ausscheidungen von Nutztieren vermeiden, die Böden und Grundwasser belasten. Und die knappe Ressource kann weiterverwendet werden.
Phosphor ist ein wichtiger Baustoff des Lebens. Er ist nicht nur Bestandteil von Knochen, Zähnen und Zellen. Das chemische Element ist daran beteiligt, dass Menschen und Tiere Energie produzieren und speichern können. In Futtermitteln wie Getreidekleie ist viel Phosphor in Form von Phytinsäure enthalten, die aber von Tieren mit nur einem Magen, wie Geflügel und Schweinen, unverdaut wieder ausgeschieden wird. Ihnen fehlen bestimmte verdauende Enzyme dafür. Als Folge gelangt viel Phosphor als Gülle auf die Äcker und belastet Böden und Grundwasser. An der Technischen Universität Hamburg wird nun daran geforscht, wie man den Phosphoranteil im Tierfutter reduzieren kann, damit dieser umweltbelastende Prozess gar nicht erst in Gang gesetzt wird.
„Wir benutzen für unsere Forschung Roggenkleie, die ohnehin ein Abfallprodukt aus der Mehlindustrie ist, aber ansonsten hervorragende Nährstoffeigenschaften besitzt, erklärt Niklas Widderich und schüttelt ein zylindrisches Glasgefäß, das mit hellem Kleiepulver befüllt ist. In einem kleinen Fermenter startet der Prozess, indem der Kleie Wasser zugesetzt wird und eine zweiphasige Suspension entsteht. „Jetzt beginnt der spannende Teil,“ so Widderich, der das Projekt am Institut für Technische Biokatalyse betreut. Er setzt Biokatalysatoren in Form von Enzymen ein. „Die Enzyme ‚verdauen‘ den organisch gebundenen Phosphor, der anorganische Teil, den wir aus mineralischen Quellen gewinnen, bleibt erhalten. Man kann auch sagen, der Phosphor ist vorverdaut, weil das so entstandene Kleieprodukt nun von Tieren mit einteiligem Magen aufgenommen werden kann“, erklärt der Doktorand. Somit wird dem Tier eine bedarfsgerechte Phosphor-Versorgung ermöglicht, wobei überschüssiger Phosphor rezykliert und anderen Wirtschaftszweigen wie der Chemie- und Lebensmittelindustrie zugeführt werden kann. Als nächstes kommt die Tierärztliche Hochschule Hannover als Projektpartner ins Spiel: „In einem extragroßen Fermenter haben wir mittlerweile genügend Futtermittel hergestellt, so dass die Hochschule nun in einem sechswöchigen Versuch mit Tieren die Verdaulichkeit des Futtermittels testen kann“, sagt Verfahrenstechniker Niklas Widderich.
Im Gegensatz zu anderen Methoden, bei denen Phosphor erst am Ende aus bereits angefallener Gülle extrahiert wird (End-of-Pipe-Ansatz), setzt das TU-Projekt viel früher an und reguliert den Phosphoranteil im Futtermittel bereits zu Beginn der Wertschöpfungskette. Insbesondere bei regional konzentrierter Tierhaltung kann diese Art von Futtermittel zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft beitragen, weil die Böden nicht mehr mit Phosphor überversorgt werden. Überschüssiger Phosphor sickert ins Grundwasser und kann in Gewässern das Algenwachstum fördern. Der Gesetzgeber hat deshalb entsprechende Grenzwerte für die Düngung mit Phosphor und damit die flächenspezifischen Ausbringmengen bis heute bereits zunehmend reduziert.
Vor dem Hintergrund stetig steigender Bevölkerungszahlen – kürzlich wurde der achtmilliardste Mensch geboren – kann dieses TU-Projekt noch größere Bedeutung erlangen. Da weltweit Anbauflächen knapp sind, nimmt der Düngemitteleinsatz zu. Es muss mehr Phosphatgestein zur Düngemittelproduktion abgebaut werden als sich in geologischen Zeiträumen regenerieren kann. Folglich drohen die Phosphorquellen zu versiegen. Die Europäische Union hat Phosphatgestein bereits als nicht erneuerbare Ressource deklariert. Daher sind Projekte wie das von Niklas Widderich für ein Ressourcenmanagement im Rahmen einer zirkulären Bioökonomie besonders wichtig.
PhANG heißt das Projekt über phosphorangepasste Futtermittel, an dem neben der Technischen Universität Hamburg, die RWTH Aachen sowie die Tierärztliche Hochschule Hannover beteiligt sind.