Jetzt noch bewerben! Bis zum 31.8. für das Orientierungsstudium und für alle zulassungsfreien Bachelor-Studiengänge bewerben.

Das Meer kennen: Schiffe effektiv und sicher konstruieren

Forschende: Prof. Norbert Hoffmann, Dr. Franz von Bock und Polach, Prof. Sören Ehlers, Dr. Marco Klein, M.Sc. Mathies Wedler, Simon Haberl

Leichtere Schiffe, die sich an die Gegebenheiten auf dem Meer anpassen, können für eine nachhaltigere Schifffahrt sorgen. Möglich macht das die rasant schnelle Datenverarbeitung des Machine Learning.

Wer das Meer versteht, weiß, wie die Schiffe dafür gebaut werden müssen. Wie hoch sind die Wellen, wie stark ist der Wellengang? „Werden solche Daten mit Daten über die Konstruktion von Schiffen verknüpft, lassen sich neue Schiffe optimal an die Gegebenheiten auf dem Wasser anpassen,“ sagt Prof. Norbert Hoffmann. Er forscht in einem interdisziplinären Projekt der Technischen Universität Hamburg und nutzt die Möglichkeiten des Maschinellen Lernens, um die Kennzahlen, die das Meer liefert, mit denen aus dem Schiffbau zu verknüpfen. „Zum ersten Mal können wir konkrete Berechnungen anstellen. Denn es ist möglich, die dafür nötigen riesigen Datenmengen passgenau zu verarbeiten“, so der TU-Wissenschaftler.

Ein digitaler Zwilling hilft den Wissenschaftlern der TU Hamburg

Das Projekt „Predicting Ship Hydrodynamics to Enable Autonomous Shipping: Nonlinear Physics and Machine Learning“verbindet die beiden Institute Schiffbaukonstruktion und -analyse sowie Strukturdynamik, dessen Leiter, Prof. Norbert Hoffmann, Experte für Wellen ist. Bei seiner Forschung wird er vom Schiffbauexperten Dr. Franz von Bock und Polach mit den nötigen Daten aus dem Schiffbau beliefert. In einem ersten Schritt konstruieren die Wissenschaftler aus diesen Daten einen digitalen Zwilling. Er soll ihnen helfen, ein Schiff zu bauen, das sich möglichst optimal auf dem Wasser bewegen kann. Wenn man die Dynamiken kennt, die auf den Schiffskörper einwirken, kann die Konstruktion darauf abgestimmt werden. Von Bock und Polach sagt: „Wir kennen die realen Belastungen, denen die Schiffe auf dem Wasser ausgesetzt sind, gar nicht. Deshalb werden ihre Stahlstrukturen bislang so entworfen, dass sie allen Bedingungen auf jeden Fall standhalten.“ Besonders nachhaltig ist das alles nicht, denn die durchschnittliche Lebensdauer von Schiffen liegt bei höchstens 25 Jahren, dabei könnte man sie mit einer auf die Gegebenheiten abgestimmten Bauweise entscheidend verlängern. Im Fokus stehen für die Forscher mittelgroße Schiffe mit einer Stahlstruktur.

TU-Forscher vermessen Nordsee als Wellenfeld

In einem zweiten Schritt hat Hoffmann noch Größeres vor: Er will die gesamte Nordsee so vermessen, dass es zum ersten Mal möglich sein soll, die Bedingungen auf dem Meer in Echtzeit abzubilden und sich die Wissenschaftler nicht mehr auf prognostizierte Mittelwerte verlassen müssen. Hoffmann ist optimistisch und erklärt, wie er vorgeht: „Die Nordsee ist ein relativ kleines Meer mit insgesamt rund 2.000 Wellen, von denen jede zwischen 100 und 200 Meter lang ist. Mithilfe des nautischen Schiffsradars übersetzen wir die gemessenen Daten in Wellenbewegungen, mit denen dann wiederum das Meer als ein gesamtes Wellenfeld erstellt werden kann. Gelingt uns das, können wir die Nordsee deterministisch beschreiben und könnten die Wellenbewegungen in Echtzeit abbilden, so Hoffmann. Das klingt noch visionär, aber die rasant steigenden Verarbeitungsgeschwindigkeiten des Machine Learning zeigen den TU-Wissenschaftlern, dass sie auf einem guten Weg sind.

Nachhaltig: die Lebensdauer der Schiffe verlängern

In diesem Spiel gibt es allerdings eine große Unbekannte, die aktuelle Berechnungen durcheinander bringen kann: den Klimawandel. Er erwärmt die Meere und verändert Wellen, Strömung und auch die Winde. Das lässt sich aus den Klimamodellen ablesen. „Man muss den Seegangszustand kennen“, erklärt Prof. Hoffmann. „Über funkende Bojen und das nautische Schiffsradar bekommen wir sehr viele Informationen über das Zusammenspiel von Meer, Wind und Wellen. Die Daten, die von Bojen und Schiffen gewonnen werden gilt es auszuwerten, wenn wir genaue Wellenprognosen abgeben wollen.“ Zwar beziehen die Wissenschaftler viele der verfügbaren Daten in ihre Berechnungen mit ein, dennoch wird der Vorhersagegrad durch den Einfluss des Klimawandels wieder etwas schwieriger. „Bei unserer Schiffskonstruktion planen wir Sicherheitsfaktoren mit ein, aber wir gehen davon aus, dass deutlich weniger Stahl verbraucht wird, die Schiffe dadurch leichter werden und weniger Treibstoff verbrauchen“, so von Bock. „Wenn sich zusammen mit einer besser an die Wellen angepassten Konstruktion die Lebensdauer der Schiffe entscheidend verlängert, wäre das ein großer Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit aller auf dem Meer eingesetzten Verkehrsmittel.“

Nach Ablauf des interdisziplinären Projekts wollen die Wissenschaftler mit dem DLR-Institut für Maritime Energiesysteme zusammenarbeiten, in den nächsten Jahren den digitalen Zwilling weiterentwickeln und danach erste Schiffsmodelle auf Grundlage der neuen Berechnungen konstruieren.

Weitere Informationen

Das I3-Projekt „Predicting Ship Hydrodynamics to Enable Autonomous Shipping: Nonlinear Physics and Machine Learning“verbindet die beiden Institute Konstruktion und Festigkeit von Schiffen sowie Strukturdynamik. Das I3-Programm steht für Interdisziplinarität und Innovation in den Ingenieurwissenschaften. Dieses Programm hat zum Ziel, neue interdisziplinäre Projekte zu identifizieren und soweit zu fördern, dass die Projekte anschließend externe Fördermittel einwerben können.