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Fassadendämmung wie vom Maßschneider

Grafik der UN-Nachhaltigkeitsziele 9, 12 und 13

Forschende: Maximilian Keller, Bastian Bossen, Prof. Dr.-Ing. Ingomar Kelbassa

Der Bedarf an Dämmung für Wohnhäuser in Deutschland ist riesig. Ein Projekt der TUHH entwickelt einfache und nachhaltige Verfahren – mit modernem 3D-Druck.

Gerade jetzt in der kalten Jahreszeit möchte man es im Haus gern kuschelig warm haben. Das klappt umso besser, je solider die Außenwände gedämmt sind: Die Kälte kommt nicht rein, die Wärme bleibt im Zimmer, und bei guter Isolierung explodieren auch die Heizkosten nicht.

Und das ist nicht nur eine Frage des persönlichen Wohlbefindens. Das deutsche Gebäudeenergiegesetz schreibt Mindeststandards für die Isolierung eines Hauses fest – sowohl für Neu- als auch für Altbauten. So sehen EU-Richtlinien etwa beim Eigentümerwechsel eines Altbaus vor, dass die neuen Eigentümer*innen innerhalb von zwei Jahren gewisse Dämmstandards erfüllen, wofür auch Förderung beantragt werden kann. Der Bedarf an Dämmung ist riesig. Aber mit dem Decken des Bedarfs kommt man in Deutschland nur schleppend voran. In erster Linie fehlt es, wie in anderen Bereichen auch, an Arbeitskräften.

Dämmplatten sollen direkt auf der Baustelle gedruckt werden

Ein Projekt der Technischen Universität Hamburg (TUHH) und des Hamburger Ingenieurdienstleisters TECCON Consulting & Engineering sucht nach Lösungen für den Bedarf, Fassaden einfach und schnell und außerdem noch nachhaltig zu dämmen – mit modernen 3D-Druck-Verfahren. Mit Unterstützung der Hamburgischen Investitions- und Förderbank (IFB Hamburg) haben die beiden Partner 2025 eine Machbarkeitsstudie durchgeführt, deren Ergebnisse vielversprechend sind. Der Antrag für ein dreijähriges Folgeprojekt liegt derzeit bei der IFB Hamburg. Kern des Projekts ist es, moderne und nachhaltige Dämmplatten direkt vor Ort, also auf der Baustelle, mit einem 3D-Drucker herstellen zu können. Deren Handhabung soll so einfach sein, dass sie mit deutlich weniger Arbeitskräften als bisher an der Fassade montiert werden können.

Am Anfang stand das persönliche Projekt einer TECCON-Mitarbeiterin: Sie hatte sich ein Haus gekauft, die Fassade sollte energetisch saniert werden. „Damals“, so Oliver Grunewald, Architekt bei TECCON, „haben wir erstmals die Frage diskutiert: Kann man Dämmung nicht nachhaltig denken? Sie wirklich effizient, ökologisch und kreislauffähig gestalten? Durch die Anwendung neuer, innovativer Verfahren?“ So kam der Ingenieursdienstleister auf das TUHH-Institut für Industrialisierung Smarter Werkstoffe (ISM) zu, um sich diesen Fragen in einer Machbarkeitsstudie zu widmen.

Neue Wege, um Klimaziele zu erreichen

Maximilian Keller, Projektingenieur am ISM und Leiter des Projekts, kommt aus Süddeutschland, wo man von „Häuslebauern“ spricht. „Wir möchten gern dahin kommen, dass der Häuslebauer seine Fassade irgendwann selbst dämmen kann“, sagt er. Doch auch, wenn das noch ein Ideal in fernerer Zukunft ist, sollen neue Verfahren bereits Arbeitskräfte auf der Baustelle einsparen. Maximilian Keller macht eine Beispiel-Rechnung auf: „Sagen wir, man braucht zehn Arbeitskräfte, um ein Haus zu dämmen. Wenn man jetzt dank innovativer Verfahren nur zwei Leute benötigt, können die ursprünglichen zehn in derselben Zeit fünf Häuser isolieren statt nur einem.“ Das sei natürlich nur ein Bild zu Veranschaulichung, so Keller, aber: „Wir brauchen neue Wege, um die Klimaziele zu erreichen.“

Darum arbeiten Maximilian Keller und sein Team an Designs für Dämmelemente, die sich nicht nur unkompliziert an der Fassade anbringen lassen, sondern auch so leicht sind, dass die Menschen auf einer Baustelle sie allein tragen und montieren können. Zu groß dürfen sie auch nicht sein – eben, weil eine einzelne Person damit manövrieren können muss. Zu klein wäre aber genauso kontraproduktiv. „Dann haben Sie zu viele Kanten zwischen den Platten, und jede Kante ist eine Einladung, dass da Wasser eindringt“, erklärt Keller: „Da muss man einfach den optimalen Punkt finden, was die richtige Größe ist.“ Diese Elemente in der genau richtigen Abmessung sollen dann direkt auf der Baustelle mit eigens dafür georderten Geräten im 3D-Druck-Verfahren hergestellt werden. „Dämmen durch Design“, nennt Maximilian Keller das – auch um zu betonen, dass das TUHH-Institut Designs und Prozesse entwickelt, nicht aber die Materialien.

Hanf als Dämmstoff

Die verwendeten Designs beruhen auf sogenannten TPMS-Strukturen. Die haben wenig Volumen, aber eine sehr hohe Oberfläche und dadurch ein geringes Gewicht. Ihre dreidimensionale Struktur wiederholt sich im Innern ständig. Die organischen, kontinuierlichen Kurven verteilen Spannungen gleichmäßig und vermeiden so Schwachstellen, die bei herkömmlichen Gitterstrukturen an den Verbindungspunkten entstehen. Dadurch ist das Material stark belastbar. Und sie schließen große Mengen an Luft ein, was sie zum idealen Dämmstoff macht. Komplexe TPMS-Strukturen lassen sich nur durch Additive Fertigung, also im 3D-Drucker herstellen.

„Manche TPMS-Strukturen schließen auch zwei Räume ein“, so Keller. „Da könnte man den einen Raum mit einem Dämmstoff füllen, zum Beispiel aus Hanf, und im anderen die Luft drin lassen. Hanf hat den doppelten Vorteil, dass seine Fasern die Struktur stärken und er außerdem komplett biologisch abbaubar ist.“

Das Material, mit dem Maximilian Keller und sein Team im Moment die ersten Prototypen ihrer Bauteile drucken, ist recyceltes PLA, ein Biokunststoff, der aus Maisstärke hergestellt wird. PLA ist kompostierbar, aber nur in industriellen Anlagen. „Nicht ideal, aber besser als ein Kunststoff aus Erdöl“, resümiert Keller. Für die Zukunft ist der Einsatz von Geopolymeren statt PLA geplant, eine Art umweltfreundliche Alternative zu Beton: „Das verhält sich im Prinzip wie Keramik, ist hitze- und wasserbeständig.“ Und vor allem kann es aus Schlacken, also Abfallprodukten der Industrie, gewonnen werden. „Da will man hin“, so Keller.

Jede Form ist denkbar

Was die Form angeht, so hat das TUHH-Team Dämmelemente entwickelt, in die sich verschiedene Funktionen einbauen lassen – zum Beispiel ist Platz für Leitungen. „Das kann“, so Keller, „etwa ein Fallrohr für Regenwasser sein, oder auch eine Elektroleitung. Wir haben viele Ideen, was man da alles integrieren kann.“ Auch, wenn im Moment mit geraden Platten gearbeitet wird, die an einer geraden, vertikalen Fassade montiert werden können: Grundsätzlich ist jede Form denkbar.

Der Gedanke, einem Haus seine Dämmung quasi auf den Leib zu schneidern, ist sowohl ökonomisch als auch ökologisch interessant. Werden, wie momentan üblich, Styroporplatten zugeschnitten, entsteht immer Abfall, „da können Sie mit zehn Prozent Verschnitt rechnen, das ist ein riesiger Materialverlust“. Könnte man die Fassade aber genau passend ausdrucken, „hat man im Prinzip keinen Verlust“. Keller vergleicht das Prinzip mit einem guten Schneider: „Der schneidert mir eine Jacke, und die passt mir dann perfekt.“ Die Extrakosten für den guten Schneider, sprich das 3D-Verfahren, gelte es, durch Abfallreduzierung und Recycling wieder auszugleichen. Oder, wie es Maximilian Keller auf den Punkt bringt: Das Ziel ist ein Verfahren, das „einfach, nachhaltig und kreislauffähig“ ist.