Sprecher für die TUHH: Timm Faulwasser
Laufzeit: seit 2025
In den letzten Jahren haben daten- und lernbasierte Ansätze für die Regelung (partiell) unbekannter dynamischer Systeme in hochkomplexen und unsicheren Umgebungen stark an Bedeutung gewonnen. Maschinelles Lernen kann hier z. B. zur Erzeugung eines Systemmodells oder zum direkten Erlernen einer Regelung verwendet werden. Während Standardanwendungen des maschinellen Lernens in der Regel auf statische Probleme führen, ergeben sich beim Einsatz lernbasierter Konzepte für dynamische Systeme viele zusätzliche Herausforderungen. Bspw. sind Sicherheitsgarantien in Anwendungen wie dem autonomen Fahren, der Mensch-Maschine Interaktion oder in Energiesystemen von entscheidender Bedeutung. Für herkömmliche Verfahren des maschinellen Lernens sind derartige Garantien i. A. nicht verfügbar, sodass neuartige Methoden und die Nutzung strukturierter Ansätze der Regelungstechnik und Systemtheorie erforderlich sind. Das Hauptziel der Forschungsgruppe ist die Entwicklung von grundlegend neuen Ansätzen des aktiven Lernens für dynamische Systeme sowie deren Regelung, bei denen der Lernprozess fortwährend beeinflusst wird. Dies steht im Gegensatz zum Großteil bestehender Arbeiten zur lernbasierten Regelung, bei denen Offline- oder Online-Daten zum Lernen ohne aktive Komponenten verwendet werden. Derartige aktive Lernstrategien sind erforderlich, um einen sicheren, performanten und dateneffizienten Betrieb komplexer und unsicherer Systeme zu gewährleisten. Zu diesem Zweck untersuchen wir, was, wann und wie aktiv gelernt werden soll. Der Fokus liegt darauf, was in Abhängigkeit der spezifischen Problemstruktur (wie der Modellgenerierung oder dem Reglerentwurf) zu lernen ist und wann das aktive Lernen stattfinden soll, z. B. bei unzureichendem Informationsgehalt der aktuellen Daten, bei zu großer Modellunsicherheit oder unzureichender Regelgüte. Schließlich werden verschiedene Methoden des aktiven Lernens entwickelt. Dabei untersuchen wir sowohl verschiedene Lerntechniken (neuronale Netze, Gauß-Prozesse und Koopman Methoden) als auch verschiedene implizite und explizite Mechanismen für aktives Lernen. Für aktives Lernen spielt der Informationsgehalt der Daten eine entscheidende Rolle. Grundsätzlich sollten die aktiven Lernkomponenten die Gewinnung möglichst reichhaltiger Informationen aus den gesammelten Daten erlauben. Im Rahmen der Forschungsgruppe entwickeln und untersuchen wir verschiedene Informationsmaße für Daten und ihre Nutzung für aktives Lernen. Die neu entwickelten Methoden stellen den sicheren und zuverlässigen Betrieb dynamischer Systeme mathematisch rigoros sicher. Dazu gehören z. B. Garantien bzgl. Fehlerschranken, erzielter Lernraten oder Stabilität und Robustheit des geschlossenen Regelkreises sowie Erfüllung von Nebenbedingungen. Schließlich sollen effiziente numerische Algorithmen entworfen werden, die die erfolgreiche Anwendung der untersuchten Methoden an Benchmark-Systemen aus der Robotik und Energietechnik erlauben.
Sprecher für die TUHH: Kay Smarsly
Laufzeit: seit 2024
Diese Forschungsgruppe soll die methodischen Grundlagen für ein cyber-physisches Framework schaffen, das sowohl die Planung und Simulation des robotergestützten Bauens in virtuellen Umgebungen als auch den Einsatz und die Steuerung von Robotern auf realen Baustellen ermöglicht. Der angestrebte nahtlose Übergang von der virtuellen zur realen Welt wird die Entwicklungszyklen und die praktische Umsetzung der Baurobotik signifikant beschleunigen. Die Schaffung eines solchen Frameworks erfordert koordinierte methodische Entwicklungen, die zu neuartigen Ansätzen führen, welche die besonderen Herausforderungen berücksichtigen, die das Bauen von der Produktion in anderen Industriezweigen unterscheiden – der Unikatcharakter von Bauprojekten und die dynamische Natur von Baustellen als Produktionsorte. Um über den Stand der Wissenschaft hinauszugehen, zielt die Forschungsgruppe darauf ab, zwei getrennte wissenschaftliche Forschungsrichtungen zu verbinden, die sich in den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt haben: datengestützte Bauplanung (BIM, Bausimulation, ...) und allgegenwärtige robotergestützte Produktionsplanung (Industrie 4.0). Die Forschungsgruppe hat sich entsprechend zum Ziel gesetzt, einen integrierten Ansatz in Form eines Frameworks für die Planung und Simulation von Roboterbaustellen zu entwickeln, der die Koordinierung inhomogener Roboterflotten in Interaktion mit menschlichen Facharbeitern ermöglicht, die unter dynamischen, schwer vorhersehbaren und sich ständig verändernden Baustellenbedingungen zusammenarbeiten. Um die Komplexität robotergestützter Bauproduktion auf verschiedenen Skalen in Raum und Zeit beherrschbar zu machen, wird das cyber-physische Framework im Kern auf mehrskaligen Verfahren und Methoden für die Modellierung von Robotersystemen, zu bauenden Strukturen und Baustellenbedingungen auf verschiedenen Abstraktionsebenen basieren. Als integraler Bestandteil des Frameworks ermöglicht das Information Backbone die Repräsentation aller relevanten Datenstrukturen und Datenflüsse, um die Simulation und später die Ausführung der robotergestützten Baustelle zu ermöglichen. Das Framework wird aus verschiedenen Abstraktionsschichten bestehen, die prozessorientierte und produktorientierte Repräsentationen von Bauprojekten umfassen, sowie Schnittstellen und Datenmodelle definieren, um wohldefinierte Anknüpfungspunkte für Simulationsmodelle von automatisierten Bausystemen einschließlich Sensorik, Aktorik sowie Steuerungs- und Regelungseinrichtungen bereitzustellen und die Integration von Verarbeitungsketten und Automatisierungsmodellen zu ermöglichen. Alle Teilprojekte werden sich in die Ausarbeitung des Frameworks einbringen und sich dabei mit spezifischen Aspekten auseinandersetzen, wie die detaillierte Modellierung von robotischen Bauvorgängen, die Multi-Robot-Kollaboration, die Zusammenarbeit zwischen Menschen und Robotern sowie die Logistikplanung.
Sprecher für die TUHH: Andreas Liese
Laufzeit: seit 2024
Tief eutektische Lösungsmittel (DES) sind eine sehr potente Klasse von Lösungsmittelsystemen, die aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften, u. a. einer beträchtlichen Senkung des Schmelzpunkts, eine Reihe von Vorteilen bei (bio)chemischen Umwandlungen bieten. Typischerweise wird ein Gemisch aus einem Wasserstoffbrückenbindungs-Donor und -Akzeptor verwendet, und die resultierende flüssige Form unterscheidet sich strukturell von klassischen molekularen Systemen. Diese Unterschiede im Lösungsmittelverhalten sind insbesondere für enzymkatalysierte Reaktionen von Vorteil, da sie u. a. höhere Stabilitäten und Aktivitäten ermöglichen können. Der große Gestaltungsspielraum für die Entwicklung anwendungsspezifischer DESs ermöglicht die Anpassung des Wassergehalts, die Solubilisierung hoher Konzentrationen von Substraten/Produkten und die Gestaltung nachgeschalteter Aufarbeitungsoptionen. Die primäre Hypothese ist, dass DES zwei kritische Aspekte von Bioprozessen grundlegend beeinflussen wird, nämlich die Reaktivität und Stabilität von Biokatalysatoren und die nachgeschaltete Aufarbeitung. Wir werden uns mit zwei Aspekten befassen, indem wir einen ganzheitlichen zirkulären Ansatz verfolgen, um zunächst effiziente und gleichzeitig nachhaltige Prozesse zu verstehen und dann zu entwickeln. Die zirkuläre Strategie zielt auf ein tiefes Verständnis beim Übergang von Molekülen zu Prozessen und vice versa. Alle Entscheidungen für den Einsatz von anwendungsspezifischen DESs in der Biokatalyse müssen in ein integriertes Prozessdesign eingebettet sein, das die theoretischen, synthetischen und ingenieurwissenschaftlichen Forschungsbereiche umfasst. Dies wird durch eine Kombination von Untersuchungsmethoden in den Bereichen der Modellierung zum Verhalten von DESs und Proteinen (Computational Unit), die eigentliche Anwendung von maßgeschneiderten DESs (Biocatalysis Unit) bis hin zur abschließenden Prozesskontrolle einschließlich Aufarbeitung (Engineering Unit) ermöglicht. Diese folgenden zentralen Herausforderungen werden untersucht: 1) Abkehr von empirisch getriebenen Studien zum integrierten Einsatz von prädiktiven Methoden, sowohl lösungsmittel- als auch proteinbasiert, unter gleichzeitiger Berücksichtigung reaktions- und verfahrenstechnischer Aufgaben. 2) Verbesserung des derzeit geringen Verständnisses der Struktur-Funktions-Beziehungen von Enzymen in verschiedenen Lösungsmitteln durch systematische Untersuchung zum Verständnis von Enzymen und katalytischen Peptiden. 3) Verständnis und Kontrolle der Lösungsmitteleigenschaften während der nachgeschalteten Aufarbeitung mit dem Ziel der Rückgewinnung und Wiederverwendung von DES-basierten Systemen. Da der gewählte Forschungsansatz eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit aus den Bereichen Modellierung, Katalyse, technische Chemie und Verfahrenstechnik erfordert, wurde ein vielfältiges Team von Wissenschaftlern aus verschiedenen Standorten zusammengestellt.