Forschungsbericht 2005



Modellierung der mittleren Phase der HIV-Infektion unter Therapie

Institut: Regelungstechnik
Projektleitung: Prof. Dr. Herbert Werner
Stellvertretende Projektleitung: Dr.-Ing. (Obering.) Gerwald Lichtenberg
Mitarbeiter/innen: Dr.-Ing. (Obering.) Gerwald Lichtenberg
Projektnummer: E.2-04.014
Laufzeit: 01.10.2000 - 31.12.2005
Finanzierung: TUHH


 

Weltweit sind heute ca. 35 Millionen Menschen mit dem Human Immunodeficiency Virus (HIV) infiziert. Trotz intensiver Forschung sind grundlegende Fragen zum zeitlichen Verlauf der Infektion noch nicht geklärt. Einige Phänomene können durch systemtheoretische Forschung besser verstanden werden. Dieser Beitrag zeigt interessante Fragestellungen und Wege zu deren Beantwortung. Der Krankheitsverlauf kann grob in drei Phasen eingeteilt werden. Unmittelbar nach der Primärinfektion steigt die Viruskonzentration schnell an, die Immunantwort drückt diese aber innerhalb weniger Wochen auf einen geringeren Wert. Die T4-Zell-Konzentration stabilisiert sich geringfügig unter dem normalen Wert. In der mittleren Phase sinken die T4-Zellen jahrelang kontinuierlich, während die Viruskonzentration auf niedrigem Niveau konstant bleibt. Im Endstadium befinden sich kaum noch T4-Zellen im Blut, und die Viruskonzentration steigt an. Modellierung der mittleren Phase der HIV-Infektion unter TherapieDr.-Ing. Gerwald Lichtenberg Durch den Verlauf der T4-Zellen nahm man zunächst an, dass die beteiligten Prozesse langsam fortschreitend sind, dies trifft aber nicht zu. Seit 1995 ist bekannt, dass die maßgeblichen Zeiten für die Elimination des Virus aus dem Plasma (sog. Clearance Raten) im Tages- oder Stundenbereich liegen. Trotzdem erstreckt sich die Krankheit bis zum Ausbruch von AIDS (Acquired Immune Deficiency Syndrome) im Gegensatz zu anderen Viruserkrankungen über Zeiträume von vielen Jahren. Es handelt sich also um einen jahrelang mit äußerster Härte und hoher Reaktionsgeschwindigkeit geführten Kampf des Immunsystems mit dem Virus. Die Prozesse sind in einem dynamischen Gleichgewicht, das sich im Verlauf der Erkrankung immer weiter zu ungunsten des Immunsystems verschiebt. Von medizinischem Interesse sind z.B. folgende Fragen: Kann die mittlere Phase verlängert werden, d.h. der Patient länger mit dem HIV-Virus leben?Können alle HIV-Viren im Körper komplett durch die Immunabwehr vernichtet werden?Warum erkranken einige HIV-infizierte Patienten auch nach über 10 Jahren nicht an AIDS? Die aktuell auf diese Fragen aufgrund klinischer Untersuchungen gegeben Antworten lauten in Kürze: Ja, Medikamente blockieren die virusvermehrenden Prozesse und verlängern so die mittlere Phase. Nein, einzelne Viren bleiben u.U. über Jahre passiv und damit für das Immunsystem unerkennbar.Nicht im einzelnen bekannt. Eine Kontrolle der Virusvermehrung durch das Immunsystem scheint eine Rolle zu spielen. Aus medizinischen Fragen können systemtheoretische Fragen abgeleitet und mit Hilfe dynamischer Modelle des Infektionsverlaufes untersucht werden, so u.a. Welche biologischen Parameter bestimmen die Dauer der Phasen?Ergibt sich der charakteristische Infektionsverlauf strukturell aus den inneren Wechselwirkungen?Wodurch ist die Regelung der Konzentration der T4-Zellen bestimmt? In dem Projekt wurde ein nichtlineares kontinuierliches dynamisches Modell vierter Ordnung mit konzentrierten Parametern erstellt, dass die Verläufe der Viruskonzentration, der gesunden und infizierten CD4- sowie CD8-Zell-Konzentration beschreibt. Zusätzlich zu bekannten biologischen Effekten wurden einfache Annahmen für die Struktur der Regelung im Nominalfall getroffen. Als wesentliche Parameter des Modells treten Produktions-, Sterbe- und Zerstörungsraten auf, sowie spezielle Reglerparameter für die Nominalkonzentrationen. Die Identifikation dieser Parameter kann aus einzelnen oder mehreren patientenspezifischen Messdaten gewonnen werden. Die so ermittelten 15 Parameter sind charakteristisch für den einzelnen Patienten bzw. die Gruppe.

Weitere Informationen zu diesem Forschungsprojekt können Sie hier bekommen

 

Publikationen
  • 2-04.118V
    G. Lichtenberg, K. Nolde, U. Riedel, A. Schwank, H.-J. Stellbrink : Modellierung der mittleren Phase der HIV-Infektion unter Medikation, Automatisierungstechnik , 462-470, 2003.
  • 2-04.119V
    G. Lichtenberg, H.-J. Stellbrink : Mathematische Modellierung des zeitlichen Verlaufs der HIV-Infektion unter antiretroviraler Therapie,9. Deutscher und 14. Österreichischer AIDS-Kongress, 92, 2003.