26.11.2025

Von einem Leben ohne Batterien bis zu selbst denkenden Systemen

Antrittsvorlesungen von Prof. Dr. Bernd-Christian Renner und Prof. Dr. Olaf Landsiedel
Foto: TUHH/Bittcher
Team Autonomous and Networked Cyber-Physical Systems: Moderatorin des Abends Dr. Anna Kirf, Dekanatsmanagerin, Prof. Olaf Landsiedel, TUHH Präsident Prof. Andreas Timm-Giel, Gastredner Prof. Kay Uwe Römer (TU Graz), Prof. Bernd-Christian Renner, Prof. Daniel Ruprecht (v.l.n.r)

Wie cyber-physische Systeme (CPS) keineswegs nur Zukunftsmusik, sondern bereits relevante Player in unserer realen Welt sind, präsentieren Prof. Dr. Bernd-Christian Renner und Prof. Dr. Olaf Landsiedel in ihren Antrittsvorlesungen am 25. November 2025 anschaulich und liefern damit Einblicke in ihre Forschungsschwerpunkte.

Mit seinem Vortrag über „Zuverlässiges Internet der Dinge für Mäuse und Menschen“ setzt ein guter alter Bekannter zunächst den thematischen Rahmen des EIM Kolloquiums, Gastredner Prof. Dr. Kay Uwe Römer von der TU Graz: „Ich kann die TUHH nur beglückwünschen mit Olaf Landsiedel und Christian Renner zwei hervorragende Wissenschaftler berufen zu haben. Ich arbeite mit beiden seit mehr als einem Jahrzehnt eng zusammen, unter anderem im Rahmen von wissenschaftlichen Wettbewerben zum Thema Verlässlichkeit und Nachhaltigkeit des Internet der Dinge, an denen sie mit ihren innovativen technischen Lösungen Spitzenplätze im internationalen Bewerberfeld erreicht haben.“

„Hin zu einem Leben ohne Batterien“

„Um es ganz offen zu sagen: Das Internet der Dinge und Cyber-Physische Systeme haben ein Batterieproblem.“ Prof Dr.-Ing. Bernd-Christian Renner, Leiter des Instituts Autonome Cyber-Physische Systeme an der TUHH, bringt den `Kasus Knacksus` für seine Forschung rund um Energieautonomie direkt zu Beginn seiner Antrittsvorlesung auf den Punkt. Unsere kritische Infrastruktur – wie Brücken, Bahnhöfe oder Windenergieparks – müsse zugleich intelligenter werden. Um zum Beispiel einen plötzlichen Brückeneinsturz wie in Genua zu vermeiden, seien Sensoren unerlässlich, die frühzeitig Risse oder Elastizität im Bauwerk feststellen. „Wären Milliarden oder Billionen winziger Sensoren allerdings mit Batterien ausgestattet, hätten wir ein massives Umweltproblem oder einen irrwitzigen, nicht handelbaren Batteriewechselbedarf, oder beides“, skizziert Christian Renner die Herausforderung, die ihn zu der Schlussfolgerung führt: „Batteriefreie Sensoren – die entweder aus regenerativen Quellen gespeist werden oder durch drahtlose Energieübertragung mit Strom versorgt werden – sind unerlässlich.“ Im Fall der Brücke wären das also entweder z.B. Solarzellen in Kombination mit intelligenten Algorithmen, um die Nacht zu überbrücken. Diese ermitteln, wann wie genau gemessen wird, um Messergebnisse effizient und lückenlos zu erhalten. Alternativ ließe sich die Brücke mit Sensoren ausstatten, die von sogenannten Vibrations- oder akustischen Harvestern durch ein entferntes Lesegerät drahtlos mit Strom durch Schall- oder Vibrationsenergie versorgt werden. Die so entstehende mechanische Bewegung nutzen die Sensoren, um sich einerseits mit Energie zu versorgen und anderseits passiv ihre Messergebnisse zu übertragen, ähnlich wie bei RFID (Radio Frequency Identification).

„Beide Versionen funktionieren komplett energieautark und wartungsfrei“, resümiert Renner, der bereits seit 2016 als Juniorprofessor und Leiter der smartPort-Arbeitsgruppe an der TUHH tätig war. 2020 folgte er einem Ruf an die Uni Koblenz-Landau, bevor er 2022 an die TUHH zurückkehrte und seine aktuelle Position übernahm.

„Von vernetzten Dingen zu denkenden Systemen“

Statt um Energieautonomie geht es bei Prof. Dr. Olaf Landsiedel, Leiter des Instituts für Vernetzte Cyber-Physische Systeme an der TU Hamburg, um Vernetzung und Künstliche Intelligenz. „Die Art und Weise, wie wir intelligente Netzwerke heute entwerfen und einsetzen hat sich grundlegend verändert“, erklärt er zu Beginn „denn Internet der Dinge (IoT), CPS, KI sowie die fortschreitende Konnektivität wachsen immer mehr ineinander.“ Innerhalb der modernen CPS habe ein Paradigmenwechsel stattgefunden: von der traditionellen Konzentration auf die reine Datenerfassung hin zur Nutzung von KI am Rand des Netzwerks. „Entscheidungen können damit in Echtzeit direkt am Ort der Datengenerierung getroffen werden“. Aktuelle Anwendungsbeispiele für eine derartige „edge-native Intelligenz“ gäbe es bereits zahlreiche, so Landsiedel. Etwa das der Unterwassersensorik, das das Institut gemeinsam mit Geomar in Kiel anwendet: Möglichst kleine Geräte, die wenig Batterie und Computer und zugleich hocheffiziente KI-Systeme beinhalten, werden auf den Meeresgrund versenkt, um dort autonom zu agieren. Bemerken sie etwas Interessantes – wie in diesem Beispiel ein Erdbeben – melden sich die Sensoren eigenständig. Ein weiteres Beispiel schildert der Professor für Informatik am Fall autonomer Schiffe: Der intelligente Sensor an Bord sagt vorher, wie das Mobilfunknetz sich in den nächsten Minuten verhalten wird und rät dementsprechend von komplizierten Manövern ab oder schaltet etwa eine in diesem Moment überflüssige Kamera eigenständig aus.

Prof. Landsiedel war seit 2018 als Informatik-Professor an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel tätig, bevor er im April 2025 an die TU Hamburg berufen wurde und die Leitung des neuen Instituts für Vernetzte Cyber-Physische Systeme übernahm.
 

ein Mann spricht am Podium
Foto: TUHH/Bittcher
Gastredner Prof. Dr. Kay Uwe Römer von der TU Graz sprach über Zuverlässiges Internet der Dinge für Mäuse und Menschen“.