27 Jahre an der TU Hamburg: „Eine faszinierende Entdeckungsreise“

Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Kersten ist emeritiert

Foto: Arlt

Nach mehr als einem Vierteljahrhundert hat Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Kersten, Leiter des Instituts für Logistik und Unternehmensführung und Vizepräsident Lehre, die Technische Universität Hamburg am 30. September 2025 verlassen.

„Ruhestand“ – das Wort lässt sich nur schwer vereinbaren mit dem agilen Professor, der seinen Bereich, das Institut für Logistik und Unternehmensführung, nicht nur maßgeblich geprägt und geleitet, sondern 1998 auch selbst gegründet hat. Sollte er selbst den letzten 27 Jahren eine Überschrift geben, sie würde lauten „eine faszinierende Entdeckungsreise“. „Denn als Wissenschaftler ist man ja immer Entdecker, entwickelt ständig neue Fragestellungen und daraus wieder neue Ideen“, schwärmt der Wirtschaftsingenieur und promovierte Betriebswirt und hebt auch den Reiz seines interdisziplinären Wirkens zwischen Betriebswirtschaftslehre und Ingenieurswesen hervor. Er habe es immer als Privileg empfunden, Hochschullehrer sein zu dürfen, jungen Menschen etwas für ihren Lebensweg mitgeben zu können und einen sinnvollen, gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. „Das war mein Traumjob!“, resümiert er begeistert. Tatsächlich hatte er schon während seines Studiums des Wirtschaftsingenieurwesens an der TU Darmstadt davon geträumt, eines Tages selbst Professor zu werden. Auch seine vorherige leitende Tätigkeit bei Mercedes Benz im Entwicklungs-Controlling für neue Pkw konnte ihn von diesem Wunsch nicht abhalten.
 

„Das war mein Traumjob!“

Neben der Mammut-Aufgabe, das Institut an der TU Hamburg von Null aufzubauen und nachhaltig in der Forschungslandschaft zu etablieren, hebt der Logistik-Experte die Bedeutung der zwei zentralen Forschungslinien hervor: „Wir gehörten zu den ersten, die sich mit Risikomanagement in Wertschöpfungsketten beschäftigt haben. Und das große Interesse, von den Unternehmen bis hin zur Politik, hat uns die gesellschaftliche Relevanz unserer Arbeit gespiegelt.“ Großkrisen wie Corona und der jahrelange Krieg in der Ukraine haben den Fokus auf Resilienz in den letzten Jahren einmal mehr bestätigt. Als zweite Forschungslinie prägt die Digitalisierung seit vielen Jahren das Wirken des Instituts. Früh habe man sich dazu im heutigen Mittelstand-Digital Zentrum, einer bundesweit sehr beachteten Förderlinie, engagiert und für Pilotprojekte und Workshops mit zahlreichen, vor allem mittelständischen, Unternehmen kooperiert.

Ein persönliches Highlight in der Zeit als Institutsleiter? Neben der Überreichung der fast 900 Seiten starken Festschrift zu seinem 60. Geburtstag sowie etlichen Preisen und Kongressen war das die Verleihung des Wissenschaftspreises Logistik auf dem Deutschen Logistik-Kongress 2013 an einen seiner Doktoranden. „Das ist ein sehr hochrangiger Preis, sodass man als Betreuer schon stolz sein kann. Mein Mitarbeiter kam aus Mexiko und hatte Vertreter seiner Botschaft eingeladen, was dazu führte, dass wir anschließend selbst in die Botschaft eingeladen wurden und das Ganze am nächsten Tag auf den Titelseiten aller mexikanischen Tageszeitungen stand“, erinnert sich Kersten schmunzelnd.

Auf Entdeckungsreise begab sich der 66-Jährige aber nicht nur durch Forschung und Lehre, sondern auch mittels zahlreicher zusätzliche Ämter – unter anderem als Sprecher der Professor*innen, als Dekan oder Sprecher der Dekane – sowie zwischen 2003 und 2009 als Gründungspräsident und wissenschaftlicher Leiter der heutigen Kühne Logistics University.

Eine ganz neue Perspektive habe sich ihm 2022 durch die zusätzliche Übernahme der Rolle als Vizepräsident Lehre an der TUHH eröffnet. Und auch in dieser Funktion kann er sich über viele Erfolge freuen: „Dieses Jahr waren wir bei der Ausschreibung der Stiftung Innovation in der Hochschullehre zur `Lehrarchitektur der Zukunft` in beiden eingereichten Förderlinien erfolgreich – eine tolle Auszeichnung!“  Zudem habe man das Studiengangsportfolio weiterentwickelt, Prozesse der Studierendenverwaltung optimiert und Werbung intensiviert, sodass die Anzahl der Studierenden des Ingenieurwesens deutlich erhöht werden konnte. „Sehr am Herzen liegt mir auch das Thema Lehr-Innovation und ein diesbezüglich besserer Austausch der Lehrenden untereinander“, berichtet der passionierte Professor und freut sich über die Einrichtung der Austauschbörse „Best practice in der Lehre“, die gerade live gegangen ist.

Was er zukünftig vermissen werde? „Alles!“, sagt Wolfgang Kersten lachend, „vor allem aber die besondere Atmosphäre an der Uni, die großartigen Menschen und die offene, zukunftsgewandte Kultur hier im Haus“. Bei aller Dankbarkeit für diesen vielseitigen und inspirierenden Beruf, freut er sich jetzt, neben mehr Muße für seine Doktoranden, ganz besonders auf die Zeit mit seiner Familie und Freunden – und hat bereits die nächste Entdeckungsreise im Visier: diesmal gemeinsam mit seiner Frau, durch schöne Landschaften und in Form einer Langstreckenwanderung.