Bald schon bald ist heilige Nacht. Und während die Glocken süßer nie klingen, locken süße Versuchungen selten verführerischer … Schokoengel, Dominosteine und Pralinen begleiten den Countdown. Nervennahrung für den vorweihnachtlichen Spannungsbogen. Der Schokolade sei Dank!
Doch oh, Schreck! Was, wenn die hübsch verpackte, Genuss versprechende Praline unverpackt plötzlich gar nicht mehr so hübsch aussieht, sondern von einem weiß-grauen Schleier überzogen ist? Ist die Praline schlecht? Hat sich auf ihrer Oberfläche gar Schimmel gebildet? Ist ihr Haltbarkeitsdatum längst überschritten?
Forschungskooperation hilft beim Verständnis
Was ist los mit der Schokolade? Erklären kann das – wie so viele Fragen, die uns im Leben bewegen – ein Institut der TU Hamburg. Das Institut unter Leitung von Prof. Stefan Heinrich ist zwar nicht auf Schokolade spezialisiert, aber auf Feststoffverfahrenstechnik und Partikeltechnologie (SPE). Die gute Nachricht zuerst: Die Oberingenieurin des Instituts, Dr.-Ing. Swantje Pietsch-Braune, kann Entwarnung geben und wünscht guten Appetit beim Verzehr. „Denn ein solcher Belag ist weder geschmacksverändernd noch in irgendeiner Form schädlich. Es handelt sich um ein rein optisches Phänomen.“ Ein Phänomen allerdings, das der Schokoladenindustrie Jahr für Jahr Millionenschäden beschert und das als eines der großen Probleme der Lebensmittelindustrie gilt. Grund genug für das SPE sich des Themas einmal genauer anzunehmen: „Fettreif“ lautet die Antwortet. Zugegebenermaßen auch kein allzu appetitlicher Begriff. Das englische „Fatblooming“ macht sich eleganter im Vokabular der Chocolatiers.
Öl zieht einfach ein
Aber was bedeutet es denn nun? „Es handelt sich um Fette, die auf der Oberfläche der Schokolade kristallisieren“, erklärt Pietsch-Braune. „Das Fett kommt in der Regel aus der Kakaobutter und migriert durch die Schokolade“, fasst sie das zentrale Ergebnis der Untersuchungen zusammen. Dieser Prozess werde durch verschiedene Effekte ausgelöst, unter anderem durch einen sogenannten Kapillareffekt: Kleine Poren in der Schokolade, die etwa durch Kakaopulver verursacht werden, sorgen dafür, dass das Fett durch die Schokolade migrieren kann, was man als kapillargetriebene Fettmigration bezeichnet. „Zudem erfolgt eine chemische Auflösung oder Umkristallisation des Fetts. Und diese Kristalle kann man dann auf der Oberfläche der Schokolade sehen.“ In einer früheren Untersuchung habe man Sonnenblumenöl auf Schokolade gegeben und konnte live mitverfolgen, wie das Öl innerhalb von Sekunden bis Minuten in die Schokolade hineingezogen wurde, berichtet sie.
Sorten, Temperatur und Lagerdauer
Die poröse Struktur der Schokolade eröffnet dem Fett also den Weg. „Ob das Ganze aber auftritt oder nicht, ist auch abhängig von der Temperatur, denn Schokolade kann in verschiedenen Kristallformen vorliegen. Ist die Temperatur hoch, steigen die flüssigen Anteile, der Migrationsprozess wird begünstigt“, so die Partikelforscherin. Aber auch ein flüssiger oder besonders fettreicher Kern wie etwa Nougat innerhalb der Schokolade sowie eine längere Lagerdauer begünstigen den Prozess oder zumindest die Wahrscheinlichkeit. Übrigens: Gerade die als gesünder angepriesene dunkle Schokolade neigt durch ihren höheren Kakao- und damit auch Fettanteil eher zum Fettreif.
Fazit: Die Kombination von Lagerdauer bei erhöhter Temperatur begünstigt – sortenabhängig – das Fatblooming. Wissenschaftliche Empfehlung: Schokolade nicht lagern, sondern zeitnah genießen!