Tanz der Moleküle

Forschungsteam der TU Hamburg untersucht maßgeschneiderte Materialien.

Ein Forschungsteam der Technischen Universität Hamburg (TUHH) und des DESY-NanoLabs hat erstmals das kollektive Verhalten organischer Säuremoleküle auf Eisenoxid auf atomarer Ebene beobachtet. Die untersuchten Moleküle der Ameisensäure vollführen demnach auf Magnetit (Fe3O4) eine Art Tanz in Dreiergruppen, wie das Team um Gregor Vonbun-Feldbauer (TUHH) und Andreas Stierle (DESY & Universität Hamburg) im Fachblatt „The Journal of Physical Chemistry Letters“ berichtet. Die Arbeit ist Teil des Sonderforschungsbereichs 986 „maßgeschneiderte multiskalige Materialsysteme (M3)“ der TU Hamburg, der gerade für weitere dreieinhalb Jahre verlängert wurde.

Fig.1: Von der Natur inspirierte künstliche Komposite aus Ölsäure- und Eisenoxid-Nanopartikeln haben viele interessante Eigenschaften. Bildnachweis: TUHH/SFB986

Die Forschungsgruppe versucht, die mechanischen Eigenschaften von Kompositmaterialien zu verstehen, die nach dem Vorbild der Natur aufgebaut sind. Hier harte Kerne, die in organische Moleküle eingebettet sind. Um die mechanischen Eigenschaften maßschneidern zu können, muss verstanden werden, was an den Grenzflächen zwischen diesen beiden sehr unterschiedlichen Materialklassen passiert. Dieses Wissen fehlt bislang in den meisten Fällen.

Die Kombination von Ölsäure mit Nanopartikeln liefert bereits Materialien mit vielen ausgezeichneten Eigenschaften. So erreichen beispielsweise solche Komposite eine besonders hohe Festigkeit. Wie es genau dazu kommt, ist allerdings nicht im Detail geklärt. Das Team untersuchte daher Ameisensäure auf einer Magnetitoberfläche als vergleichsweise einfaches Modellsystem per Rastertunnelmikroskop, Infrarot-Spektroskopie, Röntgenstreuung und mithilfe von quantenmechanischen Simulationen. „Ameisensäure ist die einfachste organische Säure“, erläutert Kai Sellschopp von der TU Hamburg, der die Computersimulationen durchführte. „Ölsäuremoleküle sind viel komplizierter, aber die Endgruppe, mit der sich die Säuremoleküle an das Eisenoxid anlagern, sieht genauso aus wie bei Ameisensäure.“

Fig.2: Die Ameisensäuremoleküle bilden Dreiergruppen, die jeweils etwa einen Millionstel Millimeter auseinander liegen, wie ein Rastertunnelmikroskop zeigt. Zoom: Detailliertes Bild der Cluster mit berechnetem Strukturmodell. Bildnachweis: DESY, Marcus Creutzburg

Die Magnetitprobe wurde so vorbehandelt, dass sie Eisenfehlstellen auf der Oberfläche aufwies. Das erleichtert den Säuremolekülen die Anlagerung und führt damit zu einer erhöhten Grenzflächenstabilität. Wie die Untersuchung zeigt, lagern sich die Ameisensäuremoleküle überwiegend in Dreiergruppen an das Eisenoxid an. Diese Dreiergruppen sind jeweils rund einen millionstel Millimeter (Nanometer) voneinander entfernt und vollführen eine Art wiegenden Tanz. Weil die Moleküle direkt aneinandergekoppelt sind und sich damit gegenseitig beeinflussen, werden bevorzugte Schwingungen („Eigenschwingungen“) der Moleküle besonders leicht angeregt.

Die Forscherinnen und Forscher hoffen, mit diesem Wissen und mit weiteren Untersuchungen die Grundlage für ein systematisches Design der Eigenschaften von Kompositmaterialien zu schaffen. Es ist zudem für das Verständnis von Magnetit als Katalysator in Energieumwandlungsprozessen von Bedeutung. 

Heterogeneous Adsorption and Local Ordering of Formate on a Magnetite Surface; Marcus Creutzburg, Kai Sellschopp, Steffen Tober, Elin Grånäs, Vedran Vonk, Wernfried Mayr-Schmölzer, Stefan Müller, Heshmat Noei, Gregor B. Vonbun-Feldbauer, and Andreas Stierle; „The Journal of Physical Chemistry Letters“, 2021; DOI: 10.1021/acs.jpclett.1c00209

Weitere Informationen unter: www.desy.de/aktuelles/news_suche/index_ger.html?openDirectAnchor=2058&two_columns=1