Schwimmende Pilotanlage zur Herstellung von Mikroalgen im Harburger Binnenhafen

Die gesellschaftlich weitgehend akzeptierten Bestrebungen, den anthropogenen Klimawandel durch Minderung der Klimagasemissionen zu begrenzen und gleichzeitig die Energie- und Rohstoffversorgung nachhaltig und vor allem versorgungssicher auszubauen, stellen große Herausforderungen an Politik, Industrie, Gesellschaft und Wissenschaft. Dies gilt für die Energiewirtschaft und Chemieindustrie ebenso wie für Branchen, die bisher zu einem großen Anteil auf der Basis fossil biogener und fossil mineralischer Rohstoffe wirtschaften. Die Substitution konventioneller – und folglich im Wesentlichen fossiler – Ressourcen und entsprechender Prozesse durch neue biotechnologische Verfahren sowie die Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen unterschiedlichster Zusammensetzung und Herkunft gewinnen entsprechend immer mehr an Bedeutung.

Die Kultivierung von Mikroalgen bildet hier eine nachhaltige Alternative. Da diese flächenautark erfolgen kann, weisen Mikroalgen gegenüber konventionellen Energie- und Industriepflanzen vielfältige Vorteile auf, welche durch die Verwendung spezieller Produktionsanlagen, wie geschlossenen transparenten Photobioreaktoren (PBR) oder offenen Kreislaufsystemen (Raceway Ponds), erschlossen werden können. Mikroalgen selbst sind winzig kleine photosynthetisch aktive Organismen mit enormen Wachstumsraten, welche Sonnenenergie und CO2 zu organischen Verbindungen, wie essentielle Fettsäuren, wertvolle Proteinbausteine oder Pigmente, umsetzen. Diese können dann als Rohstoff in einer Vielzahl von Anwendungen und Prozessen eingesetzt werden. Zudem sind Mikroalgen in der Lage Speicherstoffe wie Lipide oder Kohlenhydrate in hoher Konzentration zu akkumulieren und gelten daher als potenzieller Rohstoff für künftige biogene Energieträger.

Abbildung 1: Schwimmende Pilotanlage zur Kultivierung von Mikroalgen (C: L. Francke / TUHH)

Da Mikroalgen zum Wachstum Nährstoffe benötigen, welche als Abfallprodukte in industriellen Prozessen und kommunalen Abwässern anfallen, ist es attraktiv, ungenutzten urbanen Raum als Kultivierungsfläche zu erschließen und dabei Stoffkreisläufe zu schließen. Küstenregionen und Hafenstädte bieten hierbei attraktive Standorte, da ungenutzte Oberflächengewässer als Kultivierungsfläche genutzt werden können. Die Abfallströme der standortbedingten Industrie, sowie die kommunalen Abwässer können dabei als Nährstoffströme für die Mikroalgen genutzt werden. Die gewonnene Biomasse kann in einer regionalen Bioökonomie als Rohstoff genutzt werden, womit die Wertschöpfungskette geschlossen wird. Weiterhin können die Oberflächengewässer zur Temperierung der Photobioreaktoren genutzt werden. Diese überschreiten, ungekühlt, an warmen Sommertagen nicht selten die Temperatur von 40 °C, was zum Zelltod der Mikroalgen führt und somit die Produktion unterbricht. Eine aktive Kühlung der Systeme wirkt sich im industriellen Maßstab hingegen negativ auf die technische und ökonomische Durchführbarkeit aus und reduziert die Nachhaltigkeit des Produkts.

Abbildung 2: Mikroskopaufnahme von Mikroalgen bei 1000-facher Vergrößerung (C: S. Löhn, L. Francke / TUHH)

Ziel des geplanten Projekts ist deshalb die Errichtung und der Betrieb eines geschlossenen Photobioreaktors, mit dem die Machbarkeit einer flächenautarken Produktion von Mikroalgenbiomasse auf ungenutzten Wasserflächen in Hafen- und Küstenstädten demonstriert wird. Dieser befindet sich, schwimmend, in einem Kanal im Harburger Binnenhafen. Es handelt sich um ein transparentes Röhrensystem, welches sich beliebig tief in das Wasser des Kanals eintauchen lässt. Eine, mit Nährstoffen angereicherte, Mikroalgensuspension wird dort dauerhaft umgewälzt. Eindringendes Sonnenlicht stellt den Mikroorganismen die Energie zur Assimilierung von CO2 bereit, was wiederrum zur gewünschten Erhöhung der Biomassekonzentration im Photobioreaktor führt. Weiterhin kann durch das Eintauchen der Rohre in das Wasser des Kanals das vom Sonnenlicht aufgewärmte System vor einer Überhitzung geschützt werden. Dies ermöglicht auch, eine übermäßige Abkühlung während kalter Nächte zu vermeiden. Auf der Basis der Kultivierungsdaten werden mathematische Modelle generiert, die eine Vorhersage optimaler Eintauchtiefen und erreichbarer Zelldichten ermöglichen. Auf dieser Basis können Konzepte für Anlagen im Industriemaßstab entwickelt werden, die sich synergetisch in Küstengebiete einpassen. Für die Versuche wurde eine lokal isolierte Mikroalge verwendet, die sich als vielversprechender zukünftiger Rohstofflieferant erweist.

Hamburg University of Technology (TUHH)
Institute of Environmental Technology and Energy Economics
Sustainable Resource and Waste Management
Blohmstraße 15
21079 Hamburg