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Optimierung gekoppelter Schiffenergiesysteme

Die globale Schifffahrtsindustrie ist einer der größten Produzenten klimawirksamer Emissionen und durch die stetig verschärften Emissionsziele der IMO einer konsequenten Dekarbonisierung verpflichtet. Insbesondere im Schiffneuentwurf müssen dafür umfassende Maßnahmen zur Effizienzsteigerung getroffen werden, die über inkrementelle Verbesserungen von Verbrennungsmotoren und strömungsoptimierten Rümpfen oder Propellern hinausgehen. Großes Potential liegt in der Verbesserung der Energiesysteme, von Architektur und Versorgungsstruktur bis hin zum Betrieb. Gleichzeitig steigt die Komplexität der möglichen Energiesystemkonfigurationen durch Maßnahmen wie hybrid-elektrischer Antriebskonzepte, Sektorenkopplung oder der Integration von Energiespeichern oder Brennstoffzellen. Diesem steigenden Entwurfsfreiraum wird im konventionellen Schiffentwurf mit einem konventionellen, iterativen Prozess begegnet, sodass primär intuitive Konzepte auf Grundlage vorheriger Designs verfolgt werden.

Der an der TUHH am Institut für Mechatronik im Maschinenbau entwickelte „Maritime Energy System Optimizer“ (MESO) ist eine Methodik und ein Werkzeug zur ganzheitlichen Konfigurations- und Betriebsoptimierung der gekoppelten Energiesysteme eines Schiffes. Durch diese Optimierung werden unvoreingenommen auch Architekturen und Versorgungsstrukturen vorgeschlagen, die im konventionellen Entwurf keine Betrachtung fänden.

MESO - Methodik

Abstrakt bietet MESO die Möglichkeit, auf der Basis von repräsentativen Lastprofilen den Betrieb, die Systemstruktur und die Dimensionierung der Komponenten zu optimieren. Grundlegend basiert MESO auf einem Genetischen Algorithmus, dessen Gene die Optimierungsvariablen der Konfigurationsoptimierung abbilden - also zum Beispiel die Art, Anzahl und Leistung von Generatoren, Batterien oder Dampfkesseln sowie deren Verbindungen. Ein Individuum des genetischen Algorithmus repräsentiert also genau eine Konfiguration des Energiesystems. Die Güte einer Konfiguration - die Fitness eines Individuums - setzt sich aus bisher bis zu drei Kostenfaktoren zusammen:

  1. Betriebskosten, basierend auf dem Treibstoffverbrauch und den Treibhausgasemissionen über die Dauer der Lastprofile. Zur Bestimmung werden die Energiesysteme im Open Energy Modelling Framework auf Leistungsfluss-Detailebene modelliert. Anschließend wird ein Energiebilanz-basiertes Optimierungsproblem für den Betrieb der Erzeuger- und Speicherkomponenten aufgestellt und mit geeigneten gemischt-ganzzahlig-linearen Lösungsverfahren gelöst. Ziel dieser Betriebsoptimierung ist die Minimierung des Treibstoffverbrauchs.
  2. Fixkosten, die sich aus Anschaffungs/Installationskosten (CAPEX) sowie fixen Betriebs- und Wartungskosten zusammensetzen, jeweils für den Zeitraum der Lastprofile.
  3. Topologiekosten (optional), basierend auf dem durch das Energiesystem eingenommenen Volumens. Hierzu wird das Schiff in einem dreidimensionalen Graphen abgebildet und die Länge von Verbindungen zwischen den Komponenten mittels eines Dijkstra Wegfindungsalgorithmus bestimmt. Zusammen mit leistungsspezifischen Leitungsdurchmessern und Komponentenvolumina wird das Volumen bestimmt und mittels eines volumenspezifischen Faktors für die Opportunitätskosten in Kosten überführt.

 

Ziel der Arbeit am Institut ist die Weiterentwicklung, Generalisierung und Validierung der Methodik, damit sie sich schnell und sicher auf diverse Problemstellungen und Konfigurationen anwenden lässt.

Anwendung von MESO

Die Forschungstätigkeiten um MESO werden maßgeblich von der Zusammenarbeit mit Industriepartnern geprägt, da nur so die Nutzbarkeit im Schiffentwicklungsprozess sichergestellt werden kann. Bisherige Anwendungsstudien sind dabei primär im Bereich der Kreuzfahrt- und Frachtschifffahrt zu verordnen:

Kreuzfahrtschiff – Gesamtsystem: Die Entwicklung von MESO basiert auf umfassenden, teils im Rahmen von SuSy im Schiffbetrieb aufgenommenen, Betriebsdaten eines dieselelektrischen Kreuzfahrtschiffs der 300m - Klasse. In der Konfigurationsoptimierung konkurrieren dabei vor allem Diesel-Gensets und Hochtemperaturbrennstoffzellen, ergänzt von Batterie- und thermischen Speichern. Berücksichtigt werden ein elektrisches und vier unterschiedliche thermische Energiesysteme mit insgesamt über 100 Verbrauchern.

Containerfrachtschiff – Hotellasten: Die Anwendung im Frachtschifffahrtsbereich basiert auf im regulären Betrieb erfassten Profilen des sekundären elektrischen Systems eines 15.000 TEU Containerschiffes. Auf Basis dieser Daten konnte MESO um Generatoren mit nichtlinearen Wirkungsgraden erweitert werden und das Potential von optimierten Betriebsstrategien zu ~1.5% Treibstoffeinsparung abgeschätzt werden. Je nach Parametrierung kann durch Optimierung der Konfiguration zusätzlich 5 - 30 % Ersparnis erreicht werden, insbesondere durch eine der Last angepasste Dimensionierung der Generatoren sowie Batteriespeicher zum Abfedern von Spitzenlasten.

Kreuzfahrtschiff – Thermische Systeme: Eine auf die Konfigurationsoptimierung mehrere gekoppelter thermischer Systeme eines Kreuzfahrtschiffes unter besonderer Beachtung von emissionsfreiem Hafenbetrieb fokussierte Anwendungsstudie wird derzeit durchgeführt.

MESO - Ausblick

Die grundsätzliche Funktionalität von MESO wurde anhand verschiedener Anwendungsbeispiele verifiziert, gleichzeitig wird es stetig in drei Hauptpunkten weiterentwickelt:

Erweiterung der Funktionalität

Verschiedene Funktionen in und um MESO befinden sich aktuell in der Entwicklung. Derzeit ist MESO auf die Bereitstellung repräsentativer Lastprofile angewiesen, sodass schnelle Konzeptuntersuchungen für z.B. bisher nicht untersuchte Schiffklassen nicht ohne weiteres durchführbar sind. Dazu wird eine Methodik zur Erzeugung von Lastprofilen auf Basis von rudimentären Informationen über ein Schiff sowie typische Routendaten entwickelt.

Innerhalb von MESO wird der Betrieb des Systems optimiert, allerdings lässt sich ein derartiger Betrieb nicht im realen Schiff anwenden, da stets die Kenntnis über das gesamte Lastprofil erforderlich ist. Aus diesem Grund soll eine Methodik entwickelt werden, mit welchen aus dem optimierten Betrieb Regelstrategien abgeleitet werden können.

Generalisierung

MESO ist modular implementiert, aber Änderungen an den grundlegenden Randbedingungen, wie den erlaubten Komponenten oder Optionen für das Energiesystem, wie festgelegte Komponenten, sind stets mit manuellen Änderungen verbunden. Aktuelle Bemühungen werden daher im Bereich der Generalisierung der Methode unternommen. Ziel von dieser Generalisierung ist es, MESO mit geringem Aufwand auf neue Probleme anwenden zu können. Dafür soll es möglich sein, frei Energiesysteme, Verknüpfungen, Komponenten (fixe und zu optimierende) und Verbraucher über klar definierte Schnittstellen zu parametrieren. Durch Anwendung auf verschiedenste Systeme wird so eine Sammlung von Komponenten und Parametrierungen entstehen, die wiederum zukünftige Untersuchungen beschleunigt und erleichtert.

Validierung

Die Entwicklung einer Methodik umfasst neben der Verifizierung, die im Falle von MESO z.B. anhand von verschiedenen Anwendungsbeispielen erfolgt, auch eine Validierung. Dabei werden sowohl die relevanten Partner in der Industrie, als auch spezifischere physikalische Simulationsmodelle zur Überprüfung der Ergebnisse eine Rolle spielen. Ziel der Validierung ist die Bestätigung der Anwendbarkeit und Richtigkeit von MESO.

Ansprechpartner

Mattis Molinski
M-4 Mechatronik im Maschinenbau
  • Mechatronik im Maschinenbau
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21073 Hamburg
Gebäude O, Raum 0.013
Tel: +49 40 42878 3245
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