Sehr feine, kohäsive Sedimente weisen im Vergleich zu anderen Sedimentfraktionen ein deutlich abweichendes hydrodynamisches Transportverhalten auf. Dies führt insbesondere in Ästuaren aufgrund der während der unterschiedlichen Tidephasen auftretenden Strömungs- und Durchmischungsasymmetrien in der Regel zu einer Akkumulation dieser Sedimente in bestimmten Abschnitten. Diese Asymmetrien werden maßgeblich durch salzinduzierte Dichtegradienten hervorgerufen, die in Ästuaren aufgrund der Vermischung von Oberwasser des einmündenden Flusses mit dem Salzwasser des angrenzenden Meeres auftreten. Die Vermischung wird neben der Gestalt des Ästuars im Wesentlichen durch das Verhältnis von Oberwasserabfluss und Tideströmung bestimmt. Die Ästuarine Trübungszone stellt ein typisches Phänomen in Ästuaren dar, das als Resultat im Bereich der Vermischungs- bzw. der sog. Brackwasserzone auftritt und als die Folge der beschriebenen Akkumulation angesehen werden kann. Die Trübungszone ist als longitudinales Maximum der Schwebstoff- bzw. Sedimentkonzentration aufzufassen, welches eine entsprechend erhöhte Trübung in der Wassersäule bewirkt und häufig mit einer erhöhten Sedimentation verbunden ist. Das Auftreten von Trübungszonen bzw. der zugrunde liegenden Sedimentakkumulation erfordert in vielen Ästuaren aufwendige Baggermaßnahmen zur Erhaltung der ausgebauten Wasserstraßen. Zudem hat die Trübung einen maßgeblichen Einfluss auf das ästuarine Ökosystem. Die Ausbildung der Trübungszone hat eine starke Auswirkung auf die lokale Sedimentdynamik in einem Ästuar.

Die Abbildung und Untersuchung der Dynamik von Sedimenten in Gewässern kann grundsätzlich mit hydrodynamisch-numerischen Modellierungsverfahren erfolgen. Dazu sind aufgrund der zugrunde liegenden komplexen Transportprozesse – insbesondere für die kohäsive Fraktion in Ästuaren – geeignete Vereinfachungen zu treffen, um eine effiziente und für praktische Fragestellungen geeignete Anwendung dieser Verfahren zu ermöglichen. In diesem Sinne wurde im Rahmen dieser Arbeit ein Modellierungskonzept entwickelt und ein Modellansatz verwendet, der die anwendungsbezogene Abbildung der Dynamik der kohäsiven Sedimentfraktion für die ästuarine Umgebung mit numerischen Verfahren erlaubt. Das Weserästuar dient als konkreter Anwendungsfall. Dies ermöglicht die Bewertung des Modellansatzes anhand vorliegender Messdaten. Der Fokus liegt auf einer prozessbasierten und dynamischen Abbildung der Trübungszone unabhängig von den initialen Bedingungen im Modell.

Sowohl gemessene Trübungsverläufe als auch die Größenordnung von dokumentierten Baggermengen können für ein repräsentatives Jahr mit dem Modell des Weserästuars auf Grundlage des verwendeten Ansatzes abgebildet werden. Die zugrunde liegende Tidedynamik und Salzgehaltsverteilung können im Vergleich zu gemessenen Zeitreihen des Wasserstandes und des Salzgehaltes zufriedenstellend im Modell reproduziert werden. Insbesondere die saisonale Verlagerung der Brackwasserzone kann im Modell wiedergegeben werden, was als wesentliche und notwendige Grundlage für die Abbildung des residualen Sedimenttransportes sowie der Sedimentdynamik mit dem Modell angesehen wird. Die modellierte resultierende Sedimentdynamik zeigt ein plausibles Verhalten, das sich unabhängig von den Anfangsbedingungen im Modell einstellt: Die modellierte Trübungszone bildet sich dynamisch im Modell aus, verlagert sich saisonal in Abhängigkeit der vorgegebenen Randbedingungen und entspricht den Messungen an einzelnen Messstationen im Ästuarverlauf. Es ergibt sich zudem ein deutlicher modellierter Sedimentationsschwerpunkt im Bereich der Trübungszone in der Größenordnung der abschnittsweise dokumentierten Baggermaßnahmen. Zusammenfassend ergibt sich die modellierte Trübungszone gemäß Zielstellung dieser Arbeit wie in der Natur durch Akkumulation als dynamisches Gleichgewicht zwischen residualem Sedimentimport und Sedimentation unabhängig von den initialen Bedingungen im Modell. Die angestrebte Abbildung der Dynamik der kohäsiven Fraktion im Modell kann durch den getesteten prozessbasierten Ansatz im Vergleich zu Messungen in einem realen Ästuar erzielt werden.

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