Marlen Topp

Thema: Die französische Porzellanmanufaktur Sèvres von 1938 - 1963. Zwischen politischer Weisung und künstlerischer Autonomie

Fach: Kunstgeschichte

Betreuerin: Prof. Margarete Jarchow

Kontakt: marlen.topp@gmx.de

 

Zusammenfassung:

Für die Repräsentation des französischen Staates spielte die 1738 in Vincennes gegründete und 1756 nach Sèvres verlagerte Porzellanmanufaktur von Beginn an eine zentrale Rolle. Mit der Etablierung des Empirestils unter Kaiser Napoleon (1769-1821) in ganz Europa gelangte die Manufaktur endgültig an die Spitze der europäischen Porzellanherstellung. Diese Position konnte Sèvres auch noch im 20. Jahrhundert für sich behaupten, als sich die Manufaktur u.a. auf der Weltausstellung 1925 in Paris als das Zentrum dekorativer Interieurskunst präsentierte.

Dieses kontinuierliche und aufstrebende Bestehen verdankte die Manufaktur nicht zuletzt ihrem vorbildhaften administrativen Aufbau. Die Position des Direktors und ab 1852 die neugeschaffene Stelle des künstlerischen Leiters waren neben den Entscheidungen der Ministerien wohl die bestimmensten Faktoren im Unternehmen. Die zu untersuchende Epoche von 1938 bis 1963 leitet sich von der Zuständigkeit der damals amtierenden Direktoren ab. In dieser kurzen Zeitspanne führten allein sechs Direktoren die Geschicke der Manufaktur. So fiel das Direktorat von Guillaume Janneau (1940 bis 1943) in die Zeit der deutschen Besatzungsmacht (1940 bis 1944), der an der Aufrechthaltung des Betriebes gelegen war. Hohe deutsche Stellen wollten die Repräsentationsfunktion des Unternehmens nutzen und erteilten dementsprechende Aufträge. So wurden u.a. zwei Service für Adolf Hitler und Albert Speer bestellt, für deren Ausführung der damalige künstlerische Leiter Jean Mayodon (1893-1967) verantwortlich zeichnete. Da die deutschen Besatzer nach Belieben den Wechselkurs des französischen Franc zur Reichsmark veränderten, konnten sich auch Kommandeure und Militärangehörige vergleichsweise günstiges Porzellan bestellen.

Ebenfalls in deutschem Auftrag entstand von 1943 bis 1944 ein umfangreiches Jagdservice für Reichsmarschall Hermann Göring, mit dessen Ausführung der Großteil der Belegschaft beschäftigt war. Diese Bestellung illustriert beispielhaft, wie weitgehend die Führung des Deutschen Reichs den okkupierten Betrieb für sich in Anspruch nahm. Als entscheidendes Bindeglied vor Ort fungierte der Kunsthistoriker und Jurist Dr. Nicola Moufang (1886-1967) als Sonderbeauftragter des NS-Regimes. Der ehemalige Direktor der Karlsruher Majolika-Manufaktur und frühere Leiter der Königlichen Porzellan-Manufaktur in Berlin verfügte über die technischen und künstlerischen Kenntnisse zur adäquaten Ausführung dieses Auftrags.

Nach dem Zweiten Weltkrieg lagen die wirtschaftliche Erneuerung und der Wiederaufbau des Betriebes in den Händen von Direktor Léon-Georges Baudry (1948 bis 1963). Ihm wurden zur Umsetzung der neuen Produkte ein technisches und ein künstlerisches Komitee an die Seite gestellt. Somit nahm die Verwaltung entscheidenden Einfluss bei der Auswahl der Künstler und ihrer auszuführenden Werke. Die an der Manufaktur bereits etablierten Künstler Émile Decour (1876-1953) und Maurice Gensoli (1892-1972) standen mit ihrer Wiederbelebung der Steingutproduktion für einen künstlerischen Aufschwung. Ihnen folgten u.a. François Orlandini (Dekorateur von 1943 bis 1962) und René Collamarini (1904-1983) mit neuen Skulpturenkreationen. Trotz eingeschränkter Mittel strebte die Manufaktur eine gleichbleibend hohe Qualität an, die sich in einer technischen und stilistischen Modernisierung manifestieren sollte.

Bisher sowohl in der deutschen wie auch französischen Forschung nahezu unbearbeitet, erfordert diese bislang als künstlerisch schwach und wenig innovativ geltende Zeitspanne von 1938 bis 1963 eine Aufarbeitung und Neubewertung, mit der eine empfindliche Lücke in der Geschichte dieser Manufaktur geschlossen werden soll.

Ein Katalog ausgewählter Künstler und ihrer Objekte sowie ein deutsch-französisches Fachterminiglossar komplettieren die Ausarbeitung.


Forschungsschwerpunkte

  • Angewandte Kunst und Produktdesign des 19. und 20. Jahrhunderts, insbesondere des europäischen Porzellans
  • Provenienzerschließung europäischer Sammlungen, Museen, Archive, Bibliotheken, Institutionen, Kunsthandel
  • Sammlungs- und Ausstellungsgeschichte von Kunstgewerbemuseen des 19. und 20. Jahrhunderts


Lebenslauf

seit 2011Promotionsstipendiatin bei Frau Prof. Dr. Margarete Jarchow am DFG-Graduiertenkolleg „Kunst und Technik“ an der Technischen Universität Hamburg-Harburg in der Arbeitsgruppe Humanities
2009-2011Volontariat und Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Porzellanikon Selb und Hohenberg a. d. Eger/Deutsches PorzellanMuseum; Kuratorin der Ausstellung „Königstraum und Massenware. 300 Jahre europäisches Porzellan“ für den Ausstellungsbereich „Historismus“
2008Magistra Artium, Abschlussarbeit zum Thema: Das Grüne Gewölbe zu Dresden 1945 bis 1974 – Auslagerung 1945, Rückführung aus der ehemaligen Sowjetunion 1958, Ausstellungskonzeption zur Wiedereröffnung im Albertinum 1974
2003-2004Studium der Kunstgeschichte an der Sorbonne – Paris IV im Rahmen des ERASMUS-Programms
2000-2008Studium der Kunstgeschichte, Romanistik/Literaturwissenschaft und Evangelischen Theologie an der Technischen Universität Dresden; während des Studiums selbstständige Gästeführerin (IHK) in Dresden, in der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Meissen GmbH und im Deutschen Hygiene-Museum Dresden
1981geboren in Dresden als Marlen Grohmann


Publikationen

2013Grohmann, Marlen: Review of the second day of the French Porcelain Society’s symposium in honour of Dame Rosalind Savill, Saturday 14th April 2012, in: Newsletter of the French Porcelain Society, Spring 2013, S. 8.
2013Grohmann, Marlen: Bericht über die Reise der Gesellschaft der Keramikfreunde e.V. nach Mannheim 2012, in: Keramos, Heft 219, S. 86-91.
2012Grohmann, Marlen: Bericht über die Reise der Gesellschaft der Keramikfreunde e.V. nach London 2011, in: Keramos, Heft 215, S. 106-109.
2011Grohmann, Marlen: Das Grüne Gewölbe zu Dresden 1945 bis 1974. Auslagerung, Rückführung aus der ehemaligen Sowjetunion und Ausstellungskonzeption zur Wiedereröffnung im Albertinum, Saarbrücken
2010Grohmann, Marlen: Historismus – Der Stile viele, in: Siemen, Wilhelm (Hrsg.): Von den Ursprüngen des europäischen Porzellans bis zum Art Déco, Schriften und Kataloge des Deutschen Porzellanmuseums, Band 104/1, S. 337-450


Rezensionen

2013Topp, Marlen: Rezension von: Audrey Gay-Mazuel; Musée de la Céramique de Rouen: Le Biscuit et la Glacure. Collections du museé de la Céramique de Rouen, Paris: Skira Flammarion, 2012, in: Keramos, Heft 220, S. 101-103


Vorträge

2013"Nicola Moufang als Sonderbeauftragter des Dritten Reiches. Zwei Tafelservice für Reichsmarschall Hermann Göring aus der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Berlin (1937) und der französischen Staatsmanufaktur Sèvres (1943)."
Symposium der Gesellschaft der Keramikfreunde e.V. am 20. September 2013 in der KPM Berlin