Multi-Fidelity-Ansatz für Computersimulationen und Maschinelles Lernen

 

Viele komplexe Systeme sind nicht in allen Teilen theoretisch verstanden und können daher nicht vollständig mit klassischen Verfahren, etwa über algebraische oder Differentialgleichungen beschrieben werden. Ein Beispiel für ein solches System ist die Resorption biodegradabler Implantate in der Medizintechnik. Einige grundlegende physikalische Mechanismen sind hier theoretisch fundiert verstanden (Diffusion, mechanische Lastabtragung durch elastische Verformung), andere lediglich in Form von Datenpunkten, die noch nicht zu einem abgeschlossenen Theoriegebäude zusammengefügt werden können (z.B. genaue Wechselwirkungen zwischen Implantat und umgebendem lebenden Gewebe auf zellulärer Ebene).

Um solche Systeme mit Computersimulationen beschreiben zu können, ist es nötig, theoriebasierte Verfahren (z.B. Finite-Elemente-Simulationen) mit datenbasierten Verfahren (wie künstlichen neuronalen Netzen) zu kombinieren. Eine fundamentale Frage ist es hierbei, wie diese Verknüpfung von theoriebasierten Computersimulationen und künstlicher Intelligenz möglichst effizient realisiert werden kann [2].

Unsere Forschungsarbeiten in diesem Bereich haben bislang unter anderem bereits zur Entwicklung eines allgemeinen Multi-Fidelity Ansatzes zur effizienten Kopplung von Computersimulationen und maschinellem Lernen (ML) geführt [1]. Mit diesem kann der Berechnungsaufwand um Trainingsdaten für einen maschinellen Lernalgorithmus zu generieren um etwa eine halbe bis eine Größenordnung reduziert werden (für Anwendungsbeispiele siehe Abbildung 1, Abbildung 2). Der Ansatz beruht auf der „shared information“ zwischen exakt und grob diskretisierten Computersimulationen indem ein ML-Verfahren erst durch nur grob (aber dafür mit geringem Aufwand) simulierte Trainingsdaten trainiert wird, und erst im finalen Konvergenzstadium des Trainings auf aufwändigere (und damit teurere) Simulationsdaten zurückgreift. Dieses Training über verschiedene Diskretisierungsstufen („fidelity levels“) hinweg ist namensgebend für den Ansatz.

 

 

Abbildung 1: Anwendungsbeispiel für den Multi-Fidelity Ansatz: Simulationsmodell einer Membran in drei verschiedenen Diskretisierungsstufen: (A) 100 Elemente, (B) 1600 Elemente, (C) 25600 Elemente. Ein maschinelles Lernverfahren wird mit Simulationsdaten aus (A) vortrainiert, nur der Feinschliff erfolgt dann mit den komplexeren (und damit rechenintensiveren) Simulationsstufen (B) und (C). Nachdruck aus [1].

 

 

Abbildung 2: Anwendungsbeispiel für den Multi-Fidelity Ansatz: (A) Simulationsmodell eines repräsentativen Volumenelements mit einem ellipsoiden Einschluss in vier verschiedenen Diskretisierungsstufen (B): 4, 8, 16, 32 Elemente pro Koordinatenrichtung und Quadrant. Ein maschinelles Lernverfahren wird mit Simulationsdaten mit wenigen Elementen vortrainiert, komplexere Simulationsstufen werden erst berechnet sobald das maschinelle Lernverfahren keinen weiteren Nutzen aus den gröberen Simulationen mehr ziehen kann. Nachdruck aus [1].

 

 

Literatur:

[1]: Aydin RC, Braeu FA, Cyron CJ (2019) General Multi-Fidelity Framework for Training Artificial Neural Networks With Computational Models. Frontiers in Materials, 6/2019. (DOI=10.3389/fmats.2019.00061)

[2]: Bock FE, Aydin RC, Cyron CJ, Huber N, Kalidindi SR, Klusemann B (2019) A Review of the Application of Machine Learning and Data Mining Approaches in Continuum Materials Mechanics. Frontiers in Materials, 6/2019. (DOI=10.3389/fmats.2019.00110)