Die Nordsee ist unberechenbar – der Überstieg von einem Transferschiff auf eine Windkraftanlage kann für Monteure lebensgefährlich werden

Ein Forschungsprojekt an der TUHH arbeitet an der Lösung des Problems

Das SWATH-Schiff ist auf dem Weg zu einer der Offshore-Windkraftanlagen. Sie liegt 30 Kilometer entfernt von der Nordseeküste. Die See ist rau, es regnet und windet, das etwa 20 Meter lange Schiff schaukelt heftig. An Bord sind Spezialisten, die Reparaturen an der Anlage durchführen wollen (die Abkürzung SWATH steht für “Small Waterplane Area Twin Hull“ und bezeichnet die spezielle Bauform, die besonders unempfindlich gegen Seegang ist). Am Ziel angekommen, gelingt es dem Kapitän erst nach mehrmaligen Versuchen, sicher anzulegen.

Es ist bekannt, dass insbesondere bei hohem Wellengang der Überstieg vom Transferschiff auf die Anlage lebensgefährlich sein kann. Dazu Professor Moustafa Abdel-Maksoud, Leiter des TUHH Institutes für Fluiddynamik und Schiffstheorie: „Die Wellen- und Wetterbedingungen können sich schnell ändern, und die Nordsee kann ein sehr gefährlicher Ort sein. So ist ein sicherer Umstieg bei einem Wellengang unter 1,5 Meter durchschnittlich an nur 200 Tagen im Jahr möglich. Den Rest der Zeit kann man nicht umsteigen, was bedeutet, dass keine Wartungs- und Reparaturarbeiten durchgeführt werden können. Wenn aber eine Anlage stillsteht, dann kostet sie das Unternehmen bis zu 100.000 Euro pro Tag.“

Um einen gefahrloseren Überstieg der Mannschaft zu ermöglichen, ist ein spezieller Gummifender am Bug installiert, mit dem sich das Schiff an die Struktur der Windkraftanlage presst. „Auch so ausgerüstet ist die Situation nicht ungefährlich. Für uns Wissenschaftler ist zu klären, wie ein Fender beschaffen sein muss, um durch die auftretende Reibkraft die Relativbewegung zwischen Schiff und Windkraftanlage zu reduzieren und den Überstieg somit sicher zu ermöglichen“, erklärt Professor Alexander Düster vom TUHH-Institut für Konstruktion und Festigkeit von Schiffen.

Die beiden Wissenschaftler gehören einer interdisziplinären Forschergruppe von Meerestechnikern und Fluidexperten, Schiffbauern und Geotechnikern der Technischen Universität Hamburg-Harburg an, die sich mit der Sicherheit von Offshore Windenergieanlagen (OWEA) befassen. Im Mittelpunkt stehen dabei Probleme rund um die Installation sowie Instandhaltung maritimer Bauwerke, die extremen Wetter- und Seegangsereignissen ausgesetzt sind. Dabei gilt es, sicherheitskritische Situationen zu managen und vor allem die Sicherheit der Mitarbeiter zu gewährleisten. Das Ziel besteht nach Angaben der Hochschule darin, sicherheitskritische Situationen mit Hilfe von Computersimulationen zu untersuchen und die Effektivität geplanter Maßnahmen zur Risikominimierung zu bewerten. „Damit stellen wir der Industrie eine solide Grundlage zur Verfügung, die es erlaubt, die Gefährdung von Menschen und Umwelt zu verringern“, sagt Professor Moustafa Abdel-Maksoud in seiner Funktion als Sprecher des Forschungsverbundes. Das Projekt „Maritime Sicherheitsaspekte bei der Installation und Instandhaltung von Offshore-Windkraftanlagen“ wird mit ca. 1,8 Millionen Euro von der Forschungs-und Wissenschaftsstiftung der Hansestadt Hamburg als eines von sechs Vorhaben gefördert. Mit weiteren rund 300.000 Euro beteiligt sich die TUHH im Zuge ihres strategischen Ausbaus von Forschung und Lehre auf dem Gebiet der „Green Technology“ an diesem Vorhaben.
Insgesamt 20 Prozent der Energieversorgung sollen zukünftig entsprechend einer EU-Richtlinie durch erneuerbare Energien erzeugt werden. Einen wesentlichen Anteil daran hat die Windenergie. Mit dem Bau von Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee wird in den kommenden Jahren ein regelrechter Bauboom einsetzen. Zwangsläufig ergeben sich zahlreiche Anforderungen, die es zu bewältigen gilt.

Was das Projekt der Professoren Düster und Abdel-Maksoud betrifft, geht Abdel-Maksoud der Frage nach, wie sich das Katamaran-ähnliche SWATH-Schiff bei unterschiedlichen Seegängen verhält. Beim Andocken an die Offshore-Windparks liegen SWATH-Schiffe besonders ruhig im Wasser und erweisen sich als relativ unempfindlich gegen Seegang. Wie sich diese als Wartungs- und Serviceschiffe eingesetzten Fahrzeuge bei unterschiedlichen Seegängen genau verhalten, ist Gegenstand von Simulationen am Institut für Fluiddynamik und Schiffstheorie. „Dabei kann der Fender nicht isoliert betrachtet werden. Er ist Teil des Transportschiffes und nimmt auf seine Bewegungen Einfluss. Für uns Wissenschaftler stellt sich die Frage, wie SWATH-Schiff und Fender aufeinander wirken, denn letztlich müssen Schubkraft des Propellers und Fendereigenschaften zusammenpassen, also aufeinander abgestimmt sein.“

Professor Düster – Spezialist im Bereich der Numerischen Strukturanalyse mit Anwendungen in der Schiffstechnik - untersucht mit experimentellen Methoden sowie numerischen Simulationsverfahren den Einfluss des Fenders auf das Anlegemanöver. Schiffsbewegungen werden heutzutage hauptsächlich mit Hilfe von numerischen Verfahren simuliert, das heißt, an einem Computermodell durchgeführt. Alexander Düster: „Wir lösen das Problem, indem wir moderne Simulationsverfahren aus unterschiedlichen Disziplinen erweitern und miteinander koppeln. Am Computermodell lässt sich simulieren, wie die Struktur, bzw. das Schiff sich in den Wellen bewegt und vom Propeller an die Windkraftanlage gedrückt wird. Von besonderem Interesse für uns sind dabei das Schiff und insbesondere der Fender, der für einen sicheren Überstieg des Servicepersonals erforderlich ist “.

Am Ende des Vorhabens wird ein Simulationsverfahren zur Verfügung stehen, das die Bewegungen des Schiffes und das Fenderverhalten beim Andockmanöver abbildet. Damit kann die Sicherheit für das Servicepersonal erhöht werden. Außerdem kann bereits im Entwurfsstadium die Effizienz neuer Schiffsformen und Fendermaterialien bestimmt werden, was die Kosten reduzieren und die Risiken minimieren kann.

Prof. Abdel-Maksoud: „Die beschriebenen Forschungsarbeiten sind bei einigen auf dem Gebiet der Offshore-Windenergie tätigen Firmen auf großes Interesse gestoßen. Dies hat dazu geführt, dass ein europaweit agierendes Konsortium, an dem zahlreiche Unternehmen beteiligt sind, uns gebeten hat, in seinem Auftrag die Forschungsarbeiten weiterzuführen. Ziel ist, Empfehlungen für die Planung und Durchführung eines gefahrloseren Überstiegs von Servicepersonal zur oder von der Offshore-Windenergieanlage bereit zu stellen.“

Martina Brinkmann