Nano-Highlights aus dem Norden – Kratzfest wie Keramik, stoßfest wie Metall

Beteiligt am SFB 986 sind die TUHH, die Universität Hamburg und das Helmholtz–Zentrum Geesthacht

Kratzfeste und zugleich leichte Gehäuse für Smartphones und Laptops. Ultraleichte und dennoch hochstabile Flugzeugflügel. Turbinenbeschichtungen, die extreme Hitze aushalten und Photovoltaik-Systeme, die aus Abwärme effizient Strom erzeugen. All diesen Anwendungen ist eines gemein: Mit den heutigen Materialien lassen sie sich kaum oder gar nicht realisieren. Deshalb arbeiten die Forscher des Sonderforschungsbereichs SFB 986 an den Grundlagen für eine neue Gattung von Werkstoffen – den „maßgeschneiderten multiskaligen Materialsystemen“. 2012 wurde der SFB/Sonderforschungsbereich 986 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft eingerichtet. Beteiligt sind rund 70 Wissenschaftler der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH), der Universität Hamburg sowie des Helmholtz-Zentrums Geesthacht.

Die neuen Werkstoffe zeigen eine grundsätzlich andere Struktur als herkömmliche Materialien. So besteht ein gewöhnliches Stück Eisen im Wesentlichen aus Eisenatomen, zusammengeschlossen zu kleinen Kristallen. Diese etwa mikrometergroßen „Kristallite“ bauen dann das massive Werkstück auf – beispielsweise Schienen, Streben oder Schiffsrümpfe. Durch Beimischungen anderer Atomsorten wie Chrom oder Kohlenstoff lassen sich die Eigenschaften des Metalls verbessern – Eisen wird zu Stahl. Je nach Art der Beimischung ist dieser Stahl härter, hitzebeständiger oder biegsamer als das ursprüngliche Eisen.

Dagegen sind die Materialien, die Experten des SFB 986 in rund 20 interdisziplinären Teilprojekten entwickeln, deutlich komplexer aufgebaut. Die Basis ist meist eine winzige Nanostruktur – ein Grundelement in der Größenordnung von Milliardstel Metern. Diese nur mit Spezialmikroskopen erkennbaren Nanobausteine sind zu etwas größeren Einheiten zusammengesetzt. Und diese Einheiten wiederum bilden noch größere Konglomerate, aus denen dann das eigentliche Material besteht. Andere der untersuchten Stoffe basieren auf hauchdünnen Schichten aus winzigen Hohlkugeln, oder sie setzen sich aus komplexen Nano-Geflechten aus Kohlenstoff oder porösem Metall zusammen. Bei vielen dieser Werkstoffe erstrecken sich die inneren Strukturen über mehrere Größenskalen. Deshalb sprechen die Experten von „multiskaligen“ Systemen, zum Teil gekennzeichnet durch einen hierarchischen Aufbau.

Oft werden unterschiedliche Substanzen mit sich ergänzenden Eigenschaften kombiniert: In einem der Projekte dienen harte Keramik-Kügelchen als Grundelemente. Umgeben sind sie von mikroskopisch kleinen, weichen Kunststoff-Hüllen. Gelänge es, beide Substanzen geschickt in einem hierarchischen Aufbau zu verknüpfen, stünde am Ende ein neuartiges Material mit bemerkenswerten Eigenschaften: Es wäre hart und kratzfest wie eine Keramik, doch gleichzeitig verformbar und stoßfest wie ein Metall.

Eine andere Stoffklasse – die nanoporösen Metalle – können, wenn man sie geschickt formt und mit Polymeren kombiniert, faszinierende Eigenschaften zeigen und beispielsweise elektrisch aktiv werden. Eine der Visionen: Ein Werkstoff, der als Strukturmaterial für eine Flugzeugtragfläche taugt und zugleich elektrische Signale erfassen und leiten kann – Trägermaterial und Sensor in einem.

Wieder andere Materialien sollen in der Lage sein, Wärme hocheffizient zu reflektieren – eine wichtige Eigenschaft für Hitzeschilde etwa in Kraftwerksturbinen. Oder sie sollen umgekehrt Wärmestrahlung besonders gezielt weiterleiten können. Das wäre vorteilhaft für eine künftige Generation von Photovoltaik-Anlagen, die Hitze direkt in Strom umwandeln sollen.

Manche der SFB-986-Projekte sind durch Bauprinzipien aus der Natur inspiriert: Stoffe wie Perlmutt oder Zahnschmelz zeigen ebenfalls einen hierarchischen Aufbau. So bestehen die kleinsten, grundlegenden Bausteine von Zahnschmelz aus Nanofasern aus dem Mineral Hydroxylapatit, zusammengeklebt durch spezielle Proteine. Ähnlich wie bei einem Seil sind mehrere dieser Nanofasern zu einem Bündel zusammengefasst und bilden Mikrofasern. Diese Mikrofasern wiederum formen ein korbähnliches Geflecht – den sichtbaren Zahnschmelz. Dieser Aufbau verleiht dem Zahnschmelz seine charakteristischen Fähigkeiten: hart, aber nicht spröde.

Der Sonderforschungsbereich unterteilt sich in drei Projektbereiche:

Projektbereich A:
 Quasi-selbstähnliche hierarchische Materialsysteme
Das sind etwa jene Materialsysteme, bei denen Nanokeramiken nach Vorbild des Zahnschmelzes mit Polymeren umhüllt werden. Eine ausführliche und allgemeinverständliche Einführung in den Projektbereich A können Sie hier nachlesen.

Projektbereich B:
 Nanostrukturierte mehrphasige Materialsysteme
Hier erforschen die Wissenschaftler neuartige Materialien auf der Basis von Kohlenstoff-Geflechten sowie schwammähnlichen Metallstrukturen. Eine ausführliche und allgemeinverständliche Einführung in den Projektbereich B können Sie hier nachlesen.

Projektbereich C:
 Materialsysteme für die Photonik bei hohen Temperaturen
Hier geht es um neuartige Konzepte für Werkstoffe, die auf besondere Weise mit Hitzestrahlung interagieren. Eine ausführliche und allgemeinverständliche Einführung in den Projektbereich C können Sie hier nachlesen.

Weitere Informationen über den SFB 986 unter http://www.tuhh.de/sfb986

Text : SFB 986/TUHH