Entwicklung einer statistikbasierten Methodik für Schiffsentwürfe unter realistischen Betriebsbedingungen

Bei diesem Projekt handelt es sich um ein abgeschlossenes Projekt.

Historisch gewachsene und derzeit gängige Praxis bei Schließung eines Bauvertrages für ein seegehendes Schiff ist die Festlegung auf in der Regel einen Entwurfspunkt. Von diesem Betriebspunkt wird erwartet, dass er das prognostizierte Fahrtprofil bestmöglich zusammenfasst. Dass dies in den meisten Fällen nur ein minderwertiger Kompromiss sein kann, leuchtet unmittelbar ein. Mit der Entwicklung und Anwendung numerischer Methoden im Entwurfsprozess stiegen in den letzten Jahren zwar die Möglichkeiten zur Optimierung, jedoch wurde die Diskrepanz zwischen dem vertraglich festgeschriebenen und den im realistischen Betrieb auftretenden Zuständen bisher nicht oder nur unzureichend berücksichtigt.

Ergebnis dieses Missverhältnisses sind mitunter Rumpfformen, die im Extremfall das Minimum des Glattwasserwiderstandes auf dem vertraglichen Entwurfstiefgang aufweisen. So gut wie alle davon abweichenden Tiefgänge erzeugen jedoch größere Widerstände. Ein optimaler Betrieb ist damit praktisch unmöglich geworden. Ziel sollte es daher sein, durch eine umfassende Integration der derzeit vorhandenen Werkzeuge und Methoden zur Berechnung der Propulsion und der Wechselwirkungen einen Ansatz zu finden, mit dessen Hilfe ein Schiffsentwurf bezüglich des geplanten Einsatzprofils beurteilt und optimiert werden kann.

Ein derartiges Berechnungswerkzeug erlaubt es ferner, das Operationsprofil bereits in Fahrt befindlicher Schiffe zu optimieren, bzw. die Auswirkungen baulicher Modifikationen oder den Wechsel des Einsatzgebietes vorherzusagen und zu analysieren. Praktische Erfahrungen haben gezeigt, dass solche Änderungen mitunter mit konventionellen Herangehensweisen nicht vorhersagbare Auswirkungen auf das Gesamtsystem Schiff haben können. So beeinflussen beispielsweise die operativen Randbedingungen direkt das Spektrum der Strömungsverhältnisse an Propulsions- und Manövrierorganen. Sind diese nun strikt auf den vertraglich vereinbarten Betriebspunkt optimiert, können Abweichungen dazu führen, dass negative Nebeneffekte auf den Brennstoffverbrauch auftreten. Besteht dieses Gefährdungspotential, fällt es jedoch bei der Betrachtung nur eines isolierten Entwurfspunktes nicht auf.

Im Folgenden wird ein statistikbasierter Algorithmus erläutert, mit welchem die Möglichkeit geschaffen wird, durch Integration bereits verfügbarer und neu implementierter Berechnungsmethoden beliebige Operationsprofile zu simulieren. Ausgangspunkt sind Daten aus Modellversuchen, Großausführungsmessungen bzw. empirische Verfahren zur Extrapolation auf die Großausführung sowie Langzeitmessungen (z.B. der Umweltbedingungen). Ergebnis ist eine umfassende Simulation sämtlicher propulsionsrelevanter Variablen unter realistischen Einsatzbedingungen.

Dies wird realisiert, indem mit der Monte-Carlo-Methode kumulative Verteilungsfunktionen (CDF - Cumulative Distribution Function) sowohl der schiffsspezifischen als auch der umweltbedingten Variablen reproduziert werden. Das Prinzip der Monte-Carlo-Methode beruht auf der Generierung einer bestimmten Anzahl gleichverteilter Zufallszahlen, mit deren Hilfe z.B. die Ordinatenwerte einer CDF ermittelt werden. Damit ist es möglich, beliebige statistische Verteilungen numerisch zu erfassen. Die Methode ist durch das Gesetz der großen Zahl gerechtfertigt, d.h. bei einer als ausreichend erachteten Folge von Zufallszahlen, gleichen sich die ursprüngliche und die simulierte Verteilungsfunktion in zufriedenstellendem Maße.

Abbildung 1: Vergleich, Anzahl Proben CDF (Cont 1, Geschwindigkeit)

Damit das Fahrtprofil korrekt widergegeben wird, ist es notwendig, im Vorfeld eventuelle Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Variablen auszumachen und dementsprechend zu berücksichtigen. Die Untersuchung der verwendeten Variablen wurde mittels des Rangkorrelationskoeffizienten nach Kendall durchgeführt. Er eignet sich gut für große Datenmengen und ist unempfindlich gegenüber Ausreißern. Hat man eventuell vorhandene Korrelationen identifiziert, so ist eine geeignete Berücksichtigung derselben sicherzustellen. So ist es z.B. offensichtlich, dass die Tiefgänge an den Loten nicht unabhängig voneinander bestimmt werden können. Im vorliegenden Fall wird zuerst der Tiefgang am hinteren Lot bestimmt, nachfolgend wird ein Trimm ermittelt. Liegt nun der Tiefgang am vorderen Lot außerhalb der festgesetzten Grenzen, so wird ein neuer Wert für den Trimm ermittelt. Diese Prozedur wird solange wiederholt, bis ein gültiger Wert für den Tiefgang am vorderen Lot gefunden wurde. Alternativ kann bei einer eventuellen Abhängigkeit des Trimms vom Tiefgang auch mit unterschiedlichen Trimmverteilungen gerechnet werden, um so die Genauigkeit zu erhöhen. Das am besten geeignete Verfahren ist im Vorfeld zu bestimmen.

Die Verifizierung des implementierten Algorithmus erfolgt mit Hilfe von Messwerten, welche über einen längeren Zeitraum an Bord mehrerer Schiffe unterschiedlichen Typs aufgenommen wurden. Zum einen wird eine Serie von acht großen Containerschiffen ("Cont 1") untersucht. Dafür liegen Daten aus sogenannten Noon-to- Noon-Reporten vor. Diese fassen in der Regel 24 Stunden Schiffsbetrieb zusammen und beinhalten sämtliche schiffsspezifischen und umweltbedingten Variablen. Die acht Schiffe waren im betrachteten Zeitraum (ca. 2,5 Jahre) auf vergleichbaren Routen zwischen Asien und Nordeuropa eingesetzt, jeweils vier davon für denselben Betreiber. Ein Betreiber hat die Schiffe mit durchweg geringeren Geschwindigkeiten (sog. Econospeed) betrieben. Weiterhin stehen Noon‐to‐Noon‐Daten für eine Serie von 15 mittelgroßen Containerschiffen ("Cont 2") zur Verfügung. Diese wurden von verschiedenen Betreibern auf unterschiedlichen Routen eingesetzt und bieten so eine gute Grundlage, die Effizienz des Entwurfes in Abhängigkeit des Einsatzgebietes zu analysieren.

Abbildung 2: Vergleich Simulation und Messung, CDF Hauptmaschinenleistung PD für "Cont 1"

Sowohl bei den Leistungen, als auch den anderen simulierten Systemantworten kann eine zufriedenstellende Übereinstimmung festgestellt werden, so dass der implementierte Algorithmus als verifiziert angesehen wird. Zudem werden vergleichende Analysen durchgeführt, um nachzuweisen, dass zum Beispiel Änderungen an der Rumpfform und damit an den verwendeten Widerstandskurven und den Auswirkungen auf das Manövrierverhalten durch die resultierende Verteilungsfunktion der Hauptmaschinenleistung korrekt erfasst wird.

Die verifizierenden Untersuchungen zeigen, dass der implementierte Algorithmus die Betriebsprofile mit adäquater Genauigkeit simuliert. Er eröffnet somit die Möglichkeit, einen Schiffsentwurf bereits in der Planungsphase in diesem Zusammenhang quantitativ zu bewerten und darauf aufbauend zu optimieren.

Mehr Informationen erhalten Sie bei den Ansprechpartnern: Georg Eljardt, Lars Greitsch

Publikationen

Folgende Publikationen wurden im Rahmen dieses Forschungsvorhabens erstellt:

  • Lars Greitsch, Georg Eljardt (2009). Simulation of Lifetime Operating Conditions as Input Parameters for CFD Calculations and Design Evaluation. Numerical Towing Tank Symposium, Cortona. [pdf]

  • Lars Greitsch, Georg Eljardt (2009). Operating Conditions Aligned Ship Design and Evaluation. 1st Symposium on Marine Propulsors, Trondheim. [Abstract] [pdf]