Kontakt: Anne Lamp, M.Sc.
Aufgrund der wachsenden Weltbevölkerung und des weltweit steigenden Lebensstandards steigt der globale Proteinbedarf stetig an und wird sich bis 2050 um fast 50 % gegenüber dem heutigen Proteinbedarf erhöht haben [1]. Parallel dazu ist die weltweit verfügbare Ackerfläche für die Produktion von pflanzlichen und tierischen Proteinen begrenzt und nimmt deutlich ab. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, neue Proteinquellen für den Lebens- und Futtermittelmarkt zu finden. Eine Möglichkeit ist die Rückgewinnung von Proteinen aus minderwertigen Rückständen der Verarbeitung landwirtschaftlicher Rohstoffe im Rahmen integrierter Bioraffinerien. Solche gewonnenen Proteine können als Proteinzusatzstoffe in Lebensmitteln oder als proteinreiches Tierfutter verwendet werden. Insbesondere für den Viehzuchtsektor der EU, der stark von der Einfuhr von Sojaschrot als proteinreiches Futtermittel abhängig ist (19 Mio. t im Jahr 2018 [2]), könnte dies eine Möglichkeit sein, durch die Nutzung regionaler Proteinquellen unabhängiger von Importen zu werden.
Ein typisches Beispiel für solche Reststoffströme ist Schlempe aus der getreidebasierten Bioethanolproduktion. Nach der Bioethanol-Fermentation verbleiben ca. 40 % der Getreidemasse in der Schlempe. Der Proteingehalt der Schlempe liegt je nach Getreideart und Prozessbedingungen zwischen 20 und 37 %-TM bei einem Trockenmassegehalt (TM) von 8 bis 15 %. Die gesamte Bioethanol-Schlempeproduktion in der EU betrug 2016 4,7 Mio. t (Trockenmasse) [3]. Bisher wird die Schlempe als minderwertiges Tierfutter (Energiefutter) sowie in einigen Fällen auch für die Biogasproduktion verwendet. Um die Wertschöpfung zu erhöhen, könnte die Schlempe zu hochwertigen Proteinprodukten mit einem relativ hohen und klar definierten Proteingehalt für Lebens- und Futtermittelanwendungen weiterverarbeitet werden. So könnte beispielsweise eiweißreiches Futter, hergestellt aus der gesamten in der EU produzierten Bioethanolschlempe, 2,3 bis 3,7 Mio. t importiertes Sojamehl ersetzen und damit 12 bis 20 % des gesamten europäischen eiweißreichen Futtermittelbedarfs im Jahr 2018 decken [2].
Bisher wird eine kommerzielle Rückgewinnung von Proteinen aus Schlempe noch nicht umgesetzt [4]. Ziel dieses Projekts ist die Prozessentwicklung zur Proteingewinnung aus Bioethanolschlempe. Dazu werden mechanische, thermische, chemische und biochemische Verfahren untersucht und optimiert. Das grundsätzliche Vorgehen lässt sich in drei Schritte unterteilen (Abbildung 1):
Die Nutzungsoptionen der gewonnenen Proteinfraktionen werden durch deren nutritive und funktionelle Eigenschaften bestimmt. Zur Charakterisierung der gewonnenen Proteinfraktionen wurden im Rahmen des Projekts verschiedene Analysemethoden am IUE etabliert:
- Aminosäuregehalt (HPLC-FLD)
- Molekülgrößenverteilung (SDS-Page)
- Denaturierungsgrad (Microcal-DSC)
- Hydrolysegrad (UV-VIS)
- Funktionelle Eigenschaften
Abbildung 1: Übersicht möglicher Prozessoptionen zur Proteingewinnung aus Bioethanolschlempe
[1] T. Searchinger, C. Hanson, J. Ranganathan et al., “Creating a sustainable food future. A menu of solutions to sustainably feed more than 9 billion people by 2050. World resources report 2013-14: interim findings,” Creating a sustainable food future. A menu of solutions to sustainably feed more than 9 billion people by 2050. World resources report 2013-14: interim findings, World Resources Institute (2014), 2014.
[2] “EU Oilseed Complex Trade 2018/19 Marketing Year July - December,” 3/13/2019, https://ec.europa.eu/agriculture/market-observatory/crops/oilseeds-protein-crops/presentations_en.
[3] ePURE, “European renewable ethanol — key figures 2016,” 2017, https://www.epure.org/resources/statistics/.
[4] A. Chatzifragkou, O. Kosik, P. C. Prabhakumari et al., “Biorefinery strategies for upgrading Distillers’ Dried Grains with Solubles (DDGS),” Process Biochemistry, vol. 50, no. 12, pp. 2194–2207, 2015.