Forschungsbericht 2017



Einfluss des Reibwertes sowie der Verlustleistung auf die Dichtzone einer Ol-Elastomer-Paarung

Institut: M-16
Projektleitung: Otto von Estorff
Stellvertretende Projektleitung: Stephan Lippert
Mitarbeiter/innen: Gerrit Weiser
Laufzeit: 01.05.2017 — 31.10.2019
Finanzierung:Sonstige Vereine/Verbände

Im Bereich der Dichtungstechnik treffen Öl und Elastomer aufeinander. Daher ist es zwingend erforderlich, deren Zusammenwirken beurteilen zu können.
Zurzeit gibt es lediglich statische standardisierte Tests, durch die z.B. Quellen, Schrumpfen oder Veränderungen bei der Härte, Reißdehnung, usw. festgestellt werden können. Diese statischen Tests reichen jedoch nicht aus, um das Verhalten des Öls im Zusammenwirken mit einem Radialwellendichtring (RWDR) beurteilen zu können. Sie müssen durch dynamische Tests ergänzt werden. Da es bis heute kein genormtes Prüfverfahren in der Dichtungsanwendung gibt, um Reibung, Verschleiß und allgemein die Wechselwirkungen in der Dichtzone auf der Basis von einfach gestalteten Werkstoffproben zu messen, erfolgen oft umfangreiche Tests auf Dichtungsprüfständen und anschließend in den Aggregaten.
In zahlreichen industriellen Anwendungen findet zunächst eine Entwicklung und Optimierung des Öls statt (z.B. für eine Beanspruchung im Metall/Metall Kontakt). Das Zusammenwirken des Öls in Verbindung mit einem Elastomer wird erst im weiteren Verlauf erprobt und stellt oft eine besondere Problemstellung dar. Eine spezifische Unverträglichkeit sowie Überlastung ei-ner Öl-Elastomer-Paarung ist durch das Auftreten von Blasen, Rissen, Ölkohle und extrem hohem Verschleiß in der Dichtzone zu erkennen. Es ist aus der Praxis bekannt, dass solche Schadensbilder zu einem Ausfall des RWDR führen. Die entstehenden Schadensbilder werden zum jetzigen Zeitpunkt durch einzelne Versuche auf Dichtungsprüfständen bzw. in Aggregaten erkannt und führen beim n.i.O.-Befund zu einer iterativen Anpassungsschleife der Öl-Elastomer-Paarung. Die Anpassung kann eine Veränderung einzelner Öl- oder Elastomer-Bestandteile bis hin zum Einsatz eines komplett neuen Öls oder Elastomers bedeuten. Damit sind hohe Entwicklungskosten verbunden.
Die Prüfstands-/Aggregat-Versuche sind bei der Freigabe einer Elastomer-Öl-Paarung in der Regel unerlässlich, in der Entwicklungsphase sind sie jedoch nicht nur zu aufwendig, sondern teilweise auch ungeeignet. Allgemein sind Prüfstandversuche sehr zeitaufwendig und kostenintensiv. Zudem sind die Ergebnisse in der Regel nur direkt vergleichbar, wenn sie auf dem gleichen Prüfstand durchgeführt worden sind. Des Weiteren ist die Radialkraft der einzelnen RWDR schon im Neuzustand nicht identisch und entwickelt sich während der Versuche beispielsweise in Abhängigkeit vom eingesetzten Öl unterschiedlich. Damit sind die RWDR selbst aus einer Fertigungscharge nur eingeschränkt vergleichbar.
Die physikalischen und chemischen Wechselwirkungen zwischen Öl und Elastomer bieten allgemein eine theoretische Voraussage für die Verhärtung und Rissbildung in der Dichtzone. Im Regelfall wird jedoch der Elastomerwerkstoff und das Fluid von unterschiedlichen Firmen entwickelt und damit liegt die Kenntnis über die genaue Zusammensetzung bei dem Partnerhersteller bzw. dem Anwender nur zum Teil vor. Ein Elastomer-/Dichtungs-Hersteller kennt in der Regel nicht die genaue Zusammensetzung des Öls und dem Ölhersteller fehlen oft die genauen Bestandteile des Elastomers. Der Dichtungsanwender ist ferner auf die Angaben sowohl des Dichtungshersteller als auch des Ölhersteller angewiesen. Insbesondere für KMU ist damit eine theoretische Vorhersage der zu erwartenden Wechselwirkungen nur bedingt möglich und stellt ein Problem dar.
Eine tiefergehende Problemstellung ergibt sich ferner aus der Blasenbildung. Das Erscheinungsbild, die Entstehung und die Ursachen der Blasenbildung können im Augenblick nur vereinzelnd durch Hypothesen erklärt werden. Es besteht ein Wissensdefizit bei den Grundlagen/Zusammenhängen der Blasenbildung in der Dichtzone eines RWDR. Die zur Blasenbildung führenden Temperatur- und Geschwindigkeitsbereiche lassen sich nur aus sehr vielen Versuchswiederholungen abschätzen und sind durch den Geometrieeinfluss des RWDR nicht allgemein auf die untersuchte Öl-Elastomer-Paarung zu übertragen. Des Weiteren stehen die gewonnen Informationen überwiegend für die firmeninterne Nutzung zur Verfügung und sind nicht allgemein zugänglich. Gerade bei den KMU mit einer relativ geringen Versuchskapazität entsteht dadurch ein erhebliches Wissensdefizit bezüglich der verwendetet Öl-Elastomer-Paarung. Aufgrund der geringen Kenntnisse bezüglich der Blasenbildung, findet im Augenblick keine hinreichend genaue Interpretation der entstandenen Blasenbilder statt, die Entstehungsursachen können kaum gedeutet werden und demzufolge sind die Verbesserungsmaßnahmen mit hoher Unsicherheit behaftet.
Die Versuchskapazität aber auch die damit verbundene Zeit- und Finanz-Belastung verhindern gerade bei den KMU die Schaffung von Basiswissen hinsichtlich der Verträglichkeit verschiedener Öl-Elastomer-Paarungen. Des Weiteren werden Optimierungsprozesse (z.B. bei der Additivierung von Öl) nicht soweit durchgeführt, wie es wünschenswert oder sinnvoll wäre. Eine spezielle Anpassung der Elastomermischung an den Anwendungsfall ist experimentell noch aufwendiger und wird noch seltener durchgeführt, obwohl in diesem Bereich sicherlich ähnliches Potenzial wie bei der Additivierung von Ölen vorhanden ist.
Abgeleitet aus der augenblicklichen Situation ist die Motivation für das Forschungsvorhaben daher, Basiswissen für die praxistypischen Schadensbilder eines RWDR (Blasen, Risse, Ölkohle, Verschleiß) zu schaffen und darauf aufbauend zur Zeit- und Kosten-Reduktion bei Entwicklung/Anpassung einer Öl-Elastomer-Paarung beizutragen.