Ausgangssituation In der Bundesrepublik gibt es eine große Anzahl kontaminierter Standorte. Es handelt sich dabei z. B. um Industriestandorte, auf denen Produktionsrückstände vergraben oder unsachgemäß gelagert wurden (z. B. ehemalige Gaswerke, Kokereien, Chemiefabriken). Daneben sind vielerorts Untergrundverunreinigungen und Grundwasserverunreinigungen durch Leckagen in Transportleitungen oder Tanks (Altraffinerien, Flughäfen) entstanden. Beeinträchtigungen der Bodennutzung bis zum Bewirtschaftungsverbot sind häufig die Folge. Die Bundesregierung hat den Bodenschutz zu einer dringenden Aufgabe erklärt, was u.a. durch die Verabschiedung des Bodenschutzgesetzes dokumentiert wird. Die Altlastensanierung sieht sich nach der Phase der Schadenserfassung und -beurteilung sowie der Umsetzung einer Vielzahl von konkreten Sanierungsmaßnahmen mit starken finanziellen Problemen konfrontiert. Die Problematik der kontaminierten Böden hat sich damit aber nicht geändert und wurde durch die Wiedervereinigung deutlich verstärkt. So gibt es in den neuen Bundesländern eine Vielzahl von Flächen, deren Gefährdungspotential in bezug auf Art, Konzentration und mögliche Synergieeffekte als besonders hoch einzuschätzen ist. In einer noch nicht abgeschlossenen, bundesweiten Erfassung der Altlastenverdachtsflächen wurde deren Zahl 1993 auf 139 000 beziffert, wobei eine Zahl von 240 000 nicht unrealistisch erscheint. Nach einer vorsichtigen Schätzung erweisen sich 10 % dieser Flächen als tatsächliche Altlasten, die im Regelfall saniert werden müssen. Im wesentlichen bieten sich vier Alternativen bei der Behandlung kontaminierter Böden an: - Belassen vor Ort und Veranlassung einer Nutzungsbeschränkung
- Einkapselung oder Abdeckung mit weitgehend wasserundurchlässigem Material und kulturfähigem unbelasteten Bodenmaterial
- Auskoffern und Verbringen auf Sondermülldeponien
- Reinigung des Bodens ("in-situ" bzw. "on site" am Standort oder "off site" in dezentraler oder zentraler Anlage)
Die langfristig einzig sinnvolle Alternative stellt die Reinigung des Bodens dar. Sie kann eine tatsächliche Kontaminationsbeseitigung bewirken, eine lokale Problemverlagerung verhindern und eine Rekultivierung und Wiedernutzbarmachung des Bodens ermöglichen. In der aktuellen Sanierungspraxis werden vor allem mechanische, thermische und biologische Verfahren angewendet. Der Stand der Technik ist dabei durch eine Vielzahl konkurrierender Verfahren gekennzeichnet, die im wesentlichen auf empirischer Grundlage entwickelt wurden. Aufgrund fehlender Grenzwerte sowie unterschiedlichen analytischen Aufwandes fällt die Beurteilung der Reinigungsleistung der Verfahren schwer. Es ist die Absicht des SFB, die wissenschaftlichen Grundlagen für die verschiedenen Verfahren zu erarbeiten, um diese zu optimieren und eine zweckmäßige Auswahl von Verfahrensschritten und Apparaten für die verschiedenen Anwendungsfälle zu ermöglichen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den biologischen Verfahren und deren Kombination mit chemisch-physikalischen Methoden. Der technische Bodenschutz hat sich zu einer selbständigen wissenschaftlichen Disziplin entwickelt, in der mit Hilfe der Kenntnisse und Erfahrungen verschiedener Fachdisziplinen Problemlösungen gefunden werden können. Durch die integrierte Zusammenarbeit innerhalb des Sonderforschungsbereiches von Bauingenieuren, Verfahrenstechnikern, Chemikern, Mikrobiologen, Bodenkundlern, Geologen und Umweltplanern wird dieses neue Arbeitsgebiet erschlossen. Forschungsziel Um die Ziele, die sich der SFB gestellt hat, zu erreichen, sind neben der Untersuchung, Entwicklung und Optimierung von Reinigungsverfahren vor allem die analytischen und meßtechnischen Verfahren zu optimieren, welche die schnelle und umfassende Beschreibung von Prozessen ermöglichen. Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch die Untersuchungen zur Definition von Reinigungszielen. Um diese zu erreichen, sind u.a. Schadstoffbilanzen zu erstellen, ökotoxikologische Grenzwerte zu erarbeiten und die Schadstoffverfügbarkeit für Mikroorganismen zu quantifizieren. Lösungsansatz Um grundlegende Zusammenhänge erkennen zu können, wurde zunächst mit ausgewählten künstlich ölverunreinigten Bodentypen gearbeitet. Diese Vorgehensweise bot sich an, da die Vielfalt der Bodenstrukturen und der Kontaminationen keine universell anwendbaren Behandlungsrezepte zuläßt. Die Entwicklung methodischer Ansätze in der Bodenreinigung ist auf diese Weise möglich. In der zweiten Phase wurden vermehrt andere künstlich und real-kontaminierte Bodenmaterialien untersucht, wobei die PAK im Vordergrund standen. Während der dritten Phase erfolgte die Entwicklung zu einem stärkeren Praxisbezug, die Untersuchungen wurden auf organisch als auch anorganisch belastete Realkontaminationen ausgeweitet. In der vierten Phase werden Verfahren entwickelt, optimiert und um einige Schritte erweitert. Neben organischen und anorganischen Kontaminationen werden auch Mischkontaminationen behandelt. Die Entwicklung erfolgt mit einem starken realen Praxisbezug, wobei Kosten minimiert werden sollen. Neben den mechanischen, chemischen und thermischen Reinigungsverfahren spielen die biologischen eine wichtige Rolle. Schwerpunktmäßig wird untersucht, in welcher Weise die Bioverfügbarkeit der im Boden vorliegenden Schadstoffe gezielt verbessert werden kann. Weitere Aspekte stellen Geländeuntersuchungen dar, um praxisnahe Aussagen über die Wirksamkeit der ablaufenden Prozesse gewinnen zu können. Begleitet werden alle Untersuchungen durch eine fundierte und effiziente chemische Analytik. Hierbei stehen die Verfeinerung und Ausweitung schneller Analysenverfahren, die Charakterisierung sanierungsrelevanter Leitparameter und Fragen zur Mobilität und Festlegung von Schadstoffen an der Huminstoffmatrix im Boden eine zentrale Rolle. Forschungskonzept des Sonderforschungsbereiches für die letzte Projektphase Im Laufe des neunjährigen Bestehens des SFB nimmt die Altlastensanierung nicht mehr den hohen Stellenwert wie vor einigen Jahren ein; unbedingt notwendige Maßnahmen werden mit einfachen Methoden (meist Einkapselungen) durchgeführt, wobei man diese "Sanierung" mehr als zeitlich befristete Sicherung ansehen muß. Die Ursachen für diese Situation sind vielfältig: "leere" Haushaltskassen, neue gesellschaftspolitische Prioritäten, Reaktionen auf z. T. "übertriebenen" Umweltschutz in den vergangenen Jahren. Die Probleme bleiben jedoch, und sie lassen sich auch nicht "weggutachtern". Da das neue Bodenschutzgesetz im Bundestag verabschiedet worden ist, wird es neue Impulse in Richtung Bodenreinigung geben. In vielen anderen Ländern, wie z. B. Holland und den USA bekommt die Bodenreinigung eine starke Beachtung, das gilt auch für die aufstrebenden asiatischen Staaten. Die Forschungsentwicklung sollte sich zunächst einmal nicht blind den neuen Trends anschließen und immer nur diejenigen Probleme angehen, die "im Augenblick gerade aktuell und in Mode" oder aber sofort umsetzbar sind. Forschung lebt von ihrer Vorausschau, Kontinuität und Solidität, wobei sich ändernde Bedingungen in Umwelt und Gesellschaft zu berücksichtigen sind. Zu schnelle und weitreichende Kurskorrekturen führen zu Wissensverlust in den Forschungsinstituten und als Konsequenz auch in der Fachwelt sowie in der Öffentlichkeit. Die Folgen sind kostenintensive periodische Wiederholungen von Forschungsarbeiten in jeweils aktuellen Themenbereichen. Darüber hinaus wird der Export von Wissen, Technologien und Planungsleistungen ins Ausland mehr und mehr anderen Ländern (z. B. USA und Holland) überlassen. Die weitere Entwicklung im SFB 188 soll mit einem starken Praxisbezug unter Minimierung der Kosten erfolgen. Die Projekte werden in der vierten Phase zu einem weitgehenden "Abschluß" gebracht. Damit ist natürlich das Thema "Reinigung kontaminierter Böden" nicht abgeschlossen, aber es erfährt eine möglichst weitgehende Abrundung und eine interne Geschlossenheit. In der vierten Phase sind einige neue Projekte mit aufgenommen worden. Diese sind aber derart strukturiert und inhaltlich eingegrenzt, daß hiermit keine neuen Forschungsfelder eröffnet werden, sondern auch ein Abschluß erzielt wird. |