Die Bibliothek der Sielklär-Versuchsstation Hamburg-Eppendorf

Die 1894 durch Senatsbeschluß gegründete Sielklär-Versuchsstation erhielt ein kleines Nebengebäude als Laboratorium. Der Grundriß dieses Laboratoriumsgebäudes ist in den Veröffentlichungen über die Versuchsanlage enthalten. Der im Grundriß des Laboratoriums eingezeichnete Kasten mit der Ziffer 6 wird in der Legende als Bücherbord geführt, bildet also die "Keimzelle" der Bibliothek. Ein Großteil der vorhandenen Bücher ist vermutlich 1895/96 im Rahmen der Ausrüstung des Laboratoriums angeschafft worden. Jedoch sind im Kostenvoranschlag des Leiters des Hygienischen Institutes, William Ph. Dunbar, für die Versuchsanlage vom 29. September 1893 Ausgaben für Bücher weder bei der Ausrüstung des Laboratoriums noch bei den jährlichen Betriebskosten aufgeführt.

Nachdem die Versuchskläranlage für Sielwässer 1912 außer Betrieb genommen wurde, "ist das Laboratoriumsinventar Ende Dezember 1912 nach dem Gebäude der Abwasserreinigungsanlage in Bergedorf überführt worden." Es ist höchst wahrscheinlich, daß diese Notiz auch die vorhandenen Bücher betraf.

Jahrzehnte später wurden die Bestände der Bibliothek vom Haupt-Abteilungsleiter der Stadtentwässerung, Dr. Ing. e.h. Ernst Kunze, in einem Schrank des Betriebsgebäudes der Abwasserreinigungsanlage Bergedorf wiederentdeckt und von ihm in seinem Dienstzimmer aufgestellt. Auf Anregung von Dr. Kuntze wurden die Bücher Prof. Sekoulov vom Arbeitsbereich Gewässerreinigungstechnik der TU Hamburg-Harburg angeboten, der die Universitätsbibliothek der TUHH als Unterbringungsort vorschlug. Am 19. Januar 1984 wurden die Bibliotheksbestände offiziell durch Senator Kuhbier an Senator Sinn übergeben. Seit dieser Zeit befindet sich die Bibliothek im Besitz der Universitätsbibliothek der TU. Mit dieser Ausstellung werden die Bücher erstmals der Öffentlichkeit präsentiert und über die Ausstellungsbroschüre zur Benutzung zugänglich gemacht.

Die Bibliothek der Sielklärversuchsanlage besteht aus ca. 450 Bänden. Zur Bibliothek sind zwei handgeschriebene Katalogbände, ein systematisches "Bücher-Verzeichnis" und ein "Alphabetisches Autorenverzeichnis", erhalten. Der systematische Katalog diente als Hauptkatalog enthält teilweise auch noch die Kaufpreise der Bücher. Er enthält einen runden Stempel mit dem Text "Sielklärversuchsstation Hamburg-Eppendorf", der auch auf vielen Bänden der Bibliothek zu finden ist, und zusätzlich einen gestempelten Text "Abwasserreinigungsanlage Bergedorf".

Ebenfalls erhalten hat sich ein "Verzeichniß der aus der Bibliothek entliehen Bücher", aus dem die Namen der Entleiher und die Ausleihdaten hervorgehen.[1] Das Verzeichnis beginnt mit dem Jahre 1904 und endet mit dem Jahr 1911, um unter der Überschrift "Abwasserreinigungsanlage, Bergedorf" von 1923 bis in das Jahr 1931 weitergeführt zu werden. Dies bedeutet, daß diese Bibliothek bis in die dreißiger Jahre benutzt wurde. Karl Imhoffs Urteil über Dunbars "Leitfaden zur Abwasserfrage" (Sign. B IV e 18) im Vorwort zur 3. Auflage 1954 kann wohl auch für den Bibliotheksbestand bis in die Zwanziger Jahre hinein gelten: "Das Buch war seiner Zeit so weit voraus, daß fast sein ganzer Inhalt, vor allem seine wissenschaftlichen Abhandlungen, noch heute gültig sind." Hermann Bach schrieb noch 1934 zu Dunbars Werk: "Das Buch, das vielleicht als das beste des ganzen einschlägigen Weltschrifttums genannt werden kann, zeichnet sich neben der übersichtlichen Anordnung und der Reichhaltigkeit des Stoffes insbesondere dadurch aus, daß der Verfasser das, was er niedergeschrieben, zum großen Teile selbst erprobt und erforscht hat. Die jetzt üblichen Verfahren der Abwasserreinigung sind zum beträchtlichen Teil, namentlich was die biologische Abwasserreinigung anbelangt, erst durch die Arbeiten Dunbars, der Direktor des Hygienischen Instituts in Hamburg war, auf eine wissenschaftliche Grundlage gestellt und erprobt bzw. verbessert worden."[2]

Die Bibliothek der Sielklärversuchsstation Hamburg-Eppendorf enthält Literatur zur Wasser- und Abwasserforschung vor und um die Jahrhundertwende. Es ist nur glücklichen Umständen zu verdanken, daß diese kleine Spezialbibliothek in diesem Umfang erhalten blieb. Bibliotheks- und buchgeschichtlich interessant ist dabei nicht, daß dieser Bestand wertvolle oder gar einmalige Bände enthält, dies ist wahrscheinlich nur ganz vereinzelt der Fall, sondern eine wirkliche Arbeits- und Gebrauchsbibliothek darstellt. Die Veröffentlichung des Kataloges dieser Bibliothek dokumentiert den wissenschaftlichen Kenntnisstand der Abwasserforschung Ende des letzten Jahrhunderts und damit auch ein Stück Umwelt- und Technikgeschichte Hamburgs.

An allgemein bekannten Autoren sind Rudolf Virchow und Max von Pettenkofer sowie Justus von Liebig in der Bibliothek vertreten. Es ist jedoch bemerkenswert, daß Robert Koch, der bei der Bekämpfung der Hamburger Cholera-Epidemie 1892 eine große Rolle spielte, als Autor vollständig fehlt.

Die Mitarbeiter der Sielklärversuchsstation und des Hygienischen Instituts sind mit ihren Veröffentlichungen und Sonderdrucken natürlich vertreten, besonders zu erwähnen ist der Leiter des Hygienischen Institutes William Ph. Dunbar.[3]

Weitere einschlägig bekannte Wissenschaftler, deren Bücher in der Bibliothek zu finden sind, sind Paul Degener, Konrad W. Jurisch, Joseph König, Alexander Müller und Theodor Weyl.


[1] Benutzernamen aus dem Ausleih-Verzeichnis für 1904-1911:

E. Pancke, Dr. Lubbert, Dr. O. Korn, Görking, Dr. Timme, Dr. Nachtigall, Prof. Kleebahn, Dr. Hanne, Dr. Guth, Dr. Münchmeyer, Dr. Keim u.a.

Für 1923-1930: W. Schlick, Baurat Riese, Theske u.a.

[2] Hermann Bach: Die Abwasserreinigung. München, Berlin: Oldenbourg, 1934. S. 260. Signatur: 2308-0159

[3] Vgl. Norbert Mönckemeier: Aus der Lebensarbeit des Ersten Direktors des Hamburger Hygienischen Institutes Prof.Dr. W.P. Dunbar von 1892 - 1922. Dissertation, Universität Hamburg, 1967.


Copyright: Thomas Hapke, 29.1.1996
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