AG
FN


Arbeitsgruppe Fachreferat Naturwissenschaften

Partnerschaft zwischen Bibliothek und Fachbereich - Schnittstelle Fachreferat
5. AGFN-Fortbildungstreffen 2003 in Stuttgart

Das 5. Fortbildungstreffen der Arbeitsgruppe Fachreferat Naturwissenschaften (AGFN) im Rahmen der 29. Arbeits- und Fortbildungstagung der ASpB/Sektion 5 im DBV zog mehr als 50 Teilnehmende an. Wie die bisherigen von Klaus D. Oberdieck und vom Berichtenden organisierten Treffen von Fachreferentinnen und Fachreferenten naturwissenschaftlicher Fächer in Hamburg (1995), Berlin (1997), Dresden (1999) und Hannover (2001) fand auch dieses in Zusammenarbeit mit der Kommission für Fachreferatsarbeit des Vereins Deutscher Bibliothekare (VDB) statt.

Moderne Bibliotheken als Dienstleistungsunternehmen für ihre Träger - seien es Universitäten, Firmen oder sonstige Einrichtungen - benötigen eine enge Kundenbindung zum Marketing ihrer Angebote und zur Antizipation der Erwartungen ihrer Benutzerinnen und Benutzer. Zentrale Aufgabe des Fachreferats ist es, Brücken zwischen Bibliothek und Wissenschaft zu bauen, so dass die Bibliothek mit ihrem Serviceangebot zunehmend in Forschung und Lehre integriert wird. Strukturelle Rahmenbedingungen an der Universität, neue Entwicklungen innerhalb der naturwissenschaftlichen Disziplinen wie auch der Umgang mit neuen elektronischen Medien oder der Einsatz moderner Umfrage-Tools sind Facetten, die auf dem Fortbildungstreffen der AGFN diskutiert werden sollten, das damit Gelegenheit zu einer Standortbestimmung bot.

Nach der Begrüssung durch den Leiter der Universitätsbibliothek Stuttgart Werner Stephan präsentierte Bernd-Christoph Kämper seinen Beitrag mit einem Bericht über das "Zeitschriften-Management in der Universitätsbibliothek Stuttgart". Damit war die gastgebende Bibliothek traditionsgemäss mit einem eigenen Beitrag vertreten. Für die wichtige Organisation vor Ort dankten die Teilnehmenden Imma Hinrichs.

Zur für das Fachreferat wichtigen Frage der Bewertung der Zeitschriftennutzung wurde in Stuttgart neben der Auswertung der Nutzungsstatistiken elektronischer Angebote auch eine Umfrage durchgeführt. Der bestehende Zeitschriftenbestand wurde einem Ranking durch die Institute unterworfen, aber auch die Nennung neuer Titel war möglich. Beide Instrumente, Nutzungsstatistik und Umfrage, ergänzte eine recht teure Untersuchung des Institute for Scientific Information, ein "Local Journal Utilization Report". Er lieferte Antwort auf die Fragen, in welchen Zeitschriften Stuttgarter Wissenschaftler veröffentlichen bzw. welche Zeitschriften sie zitieren. Das Abbestellvolumen lag in Stuttgart 2002 bei ca. 560 000 €, ein Betrag, der auch in einen zentralen Topf für Dokumentenlieferung floss. Bei der Abbestellentscheidung spielten auch politische Gesichtspunkte eine Rolle. So wurden alle Zeitschriften eines grossen kommerziellen Verlages abbestellt, da die Nutzung von Zeitschriften wissenschaftlicher Fachgesellschaften als deutlich stärker bewertet wurde als die kommerzieller Verlage.

Bibliotheken müssen heute statt wie früher ein Wissen über die eigene Sammlung eher ein Wissen über ihre Nutzer und Kunden aufbauen. Burkard Rosenberger von der ULB Münster stellte in seinem Beitrag "Entwurf und Realisierung von Online-Umfragen" ein "Hilfsmittel zur elektronischen Kommunikation im Fachreferat" vor. Basierend auf einem Perl-Skript, das mit Dokumentation auch als Download im Netz zur Verfügung steht, werden die über ein Webformular vom Kunden eingegebenen Antworten maschinell gespeichert und können dann leicht mit Tabellenkalkulations-Standards-Software weiterverarbeitet und ausgewertet werden. Burkhard Rosenberger führte dieses leicht lokal anzupassende Tool so gekonnt vor, das später eine Teilnehmerin schrieb: "Schon das allein hat die weite Fahrt gelohnt ! Der Titel [des Vortrages] selbst liess ja noch nicht vermuten, das man gleich mit so einem Programm belohnt wird."

Es folgten zwei Beiträge, die einen noch stärkeren Blick heraus aus der Bibliothek auf die Seite der Wissenschaftler und Institute warfen. Im Vortrag von Jürgen Pleiss vom Institut für technische Biochemie der Universität Stuttgart wurde dabei deutlich, wie ein Fach sich in Richtung Informationswesen bewegen kann: Die Biologie wird durch die Nutzung vielfältiger Datenbanken in der Bioinformatik immer mehr zu einer Informationswissenschaft. (Siehe auch den Beitrag "Shaping Biomedicine as an Information Science" von Timothy Lenoir in den Proceedings of the 1998 Conference on the History and Heritage of Science Information Systems.) Die bei der Sequenzanalyse von Genen und Proteinen erzeugten riesigen Datenmengen werden heute in grossen Datenbanken im Netz verwaltet und angeboten. Darüber hinaus werden Prozess- (Reaktions-, Metabolism-, (Bio-)Katalysator-) Datenbanken für die Forschung immer wichtiger. All diese neben in grösseren "offiziellen" Datenbanken auch in dezentralen Datenzentren weltweit vorhandenen Rohdaten haben hohe Relevanz für Forschung und Lehre. Fragen der Standardisierung und Datenintegration sind dabei noch lange nicht gelöst. Die Grenzen der traditionellen Möglichkeiten der Publikation reichen in der Bioinformatik nicht aus und werden überschritten.

Ina Weiss von der Universität Jena demonstrierte das Modell der an der Biologisch-Pharmazeutischen Fakultät angesiedelten Wissenschaftlichen Informationsstelle. In Jena existieren noch weitere Informationsvermittlungsstellen (IVS) in Fachbereichen. Das Angebot der IVS umfasst neben Schulungen und Kursen zur Informationssuche auch die klassische Durchführung von Recherchen als Dienstleistung. Auch die Universitätsbibliothek Jena greift gerne auf den Service der IVS zurück. Vielleicht ist dieses dicht am Bedarf der Forschung lokalisierte Modell als Form des Consulting von Bibliothekaren und Informationsspezialisten für ihre Kunden seiner Zeit etwas voraus. Das zehnjährige Bestehen der IVS wird in diesem Jahr nach einer organisatorischen Umorientierung zum Institut für Bioinformatik gefeiert werden.

Ilona Rohde stellte unter dem Titel "Auf dem Weg von der Zwei- zur Einschichtigkeit - Fachreferatsarbeit in Teilbibliotheken der UB Marburg" die Marburger Lösung der im Hessischen Hochschulgesetz verankerten "funktionalen Einschichtigkeit" des Bibliothekssystems vor und blickte damit ebenfalls aus der zentralen Hochschulbibliothek in die Fachbereiche hinaus. Hier werden die lokalen, fachlich orientierten Teilbibliotheken gemeinsam von einem Fachreferenten und einer Bibliothekskommission geleitet. Es kommt sogar zur "Vermischung" mit Wissenschaftlern, wenn diese wie z.B. in der Mathematik direkt das Fachreferat der UB übernehmen und damit auch die Teilbibliothek leiten. Ilona Rohde als Fachreferentin für Medizin betreut ihrerseits wiederum selbst ein Bibliothekssystem in kleinem Maßstab, eine zentrale Medizin-Bibliothek mit 25 Institutsbibliotheken, das sich aber nach dem Willen des Fachbereiches auf dem Weg in die Einschichtigkeit befindet. Auslöser dafür war der Wunsch nach mehr elektronischen Zeitschriften, deren Koordination sinnvoll nur zentral erfolgen kann. Für Ilona Rohde treten die klassischen Fachreferatsaufgaben (meist nur noch für studentische Literatur) hinter den Managementaufgaben immer mehr zurück. Dazu kommen aber Beratung in schwierigen Anschaffungsfragen (Datenbanken, Konsortialangebote) sowie eine steigende Präsenz im Fachbereich, z.B. auch durch eine zunehmende Einbeziehung in die Lehre. Im Rahmen einer Pflichtveranstaltung wird z.B. das Teilthema Literaturrecherche von der Fachreferentin übernommen.

Der Berichtende knüpfte mit seinem Beitrag "Universitätsbibliotheken und E-Learning - eine sinnvolle Kombination !?" direkt an diesen letzten Punkt an. Das neue Gewicht von Lernen und Lehre in Relation zur Forschung, die Tendenz von der Wissensvermittlung zur Kompetenzvermittlung sowie die Veränderung des Lernens durch die elektronischen Möglichkeiten beeinflussen auch die Universitätsbibliotheken. Diese müssen aus strategischen Gründen (z.B. Marketing) auch beim E-Learning sichtbar bleiben, können sie doch aus organisatorischer Sicht wichtige Ansprechpartner für Fragen des Geistigen Eigentums oder für die Administration von Lernmanagementsystemen sein. Pädagogische Aspekte können bei der Vermittlung von Informationskompetenz und beim Training zur Nutzung von Lernplattformen zum Tragen kommen. Typische Aufgaben von Bibliotheken im Rahmen elektronischen Lernens können die Digitalisierung von Lehrmaterial z.B. im elektronischen Semesterapparat, die Beschäftigung mit Metadaten von Lernobjekten, das Angebot eines Virtual Reference Desk auch auch die simple technische Unterstützung etwa durch die Ausleihe von Laptops oder PDAs sein. Die Bibliothek als physischer Ort des Lernens, als Teil des Ökosystems des Lernens an einer Universität, muss auch in elektronischer Umwelt seinen Stellenwert behalten.

Die Organsiatoren hoffen allen Teilnehmern des AGFN-Fortbildungstreffens ein attraktives Programm geboten zu haben und wünschen sich für das nächste Treffen im Jahre 2005 viele Angebote für neue Beiträge aus den Reihen naturwissenschaftlich orientierter Fachreferentinnen und Fachreferenten. Bis dahin sei zum Schluss noch auf ein einschlägiges amerikanisches Angebot hingewiesen, um sich im naturwissenschaftlichen Fachreferat auf dem Laufenden zu halten, die vierteljährlich erscheinende elektronische Zeitschrift "Issues in Science and Technology Librarianship."

Thomas Hapke: Partnerschaft zwischen Bibliothek und Fachbereich: Schnittstelle Fachreferat : 5. AGFN-Fortbildungstreffen 2003 in Stuttgart. Bibliotheksdienst 37(2003)7, 977-980.


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