Die Integration hochqualifizierter Migrantinnen auf dem deutschen Arbeitsmarkt

  • Durchführung des Teilprojektes "Effekte der Migration auf die Karriereverläufe hochqualifizierter Frauen in Technologiebranchen": Prof. Dr. Gabriele Winker, Dr. Grit Grigoleit
  • Verbundprojekt der Universitäten HU Berlin, RWTH Aachen und TU Hamburg-Harburg
  • gefördert im Rahmen des Themenschwerpunkts "Frauen an die Spitze" des BMBF
  • Laufzeit: 2009-2011
  • Projekt-Website: Die Integration hochqualifizierter Migrantinnen auf dem deutschen Arbeitsmarkt

 

Ausgangslage des Gesamtprojekts

Moderne Wissensgesellschaften wie Deutschland sind auf die breite Entfaltung von Qualifikationen, Kenntnissen und Fähigkeiten von all ihren Mitgliedern angewiesen. Dennoch ist auffallend, dass nur wenige Frauen in der Informatik sowie in den Natur- und Ingenieurwissenschaften vertreten sind. Zudem verfügen sie im Vergleich zu Männern über nur unzulängliche Karriereperspektiven. So besteht ein eklatantes Missverhältnis zwischen der Nachfrage nach Fachkräften und der beruflichen Eingliederung von technisch und naturwissenschaftlich ausgebildeten Frauen in Unternehmen und Hochschulen.

Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, wurden spezielle Anwerbungsprogramme wie beispielsweise die Green-Card-Initiative für die Informationstechnologie erlassen. Das neue Zuwanderungsgesetz von 2005 erleichtert zudem Hochqualifizierten den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Durch die Transformationsprozesse in den osteuropäischen Staaten in den neunziger Jahren und die EU-Osterweiterung ist darüber hinaus ein Zulauf an Migrantinnen mit einer Ausbildung in Technik, Ingenieur- und Naturwissenschaften zu verzeichnen, da diese Fachbereiche in den postsozialistischen Ländern weitaus weniger geschlechtlich segregiert sind als in Deutschland.

Hochqualifizierte Migrantinnen werden bislang jedoch weder in der Forschung zur Ungleichheit zwischen Frauen und Männern noch in der Migrationsforschung eingehend berücksichtigt. Es liegen keine gesicherten Erkenntnisse über ihre Eingliederung in den deutschen Arbeitsmarkt noch Befunde über ihre derzeitige Situation vor.

Angesichts dieser Sachlage stellen sich uns folgende Forschungsfragen:

  • Wie gestaltet sich die Integration von hochqualifizierten Migrantinnen in den deutschen Arbeitsmarkt? Welche Zugangschancen haben diejenigen, die bereits in ihrem Herkunftsland einen hochschulqualifizierenden Abschluss bzw. sogar einen Studienabschluss erworben haben?
  • Welche Auswirkungen hat die Migration auf ihren Erwerbs- und Karriereverlauf? Erweitern sich mit der Ausdehnung und Internationalisierung der Märkte ihre Handlungsmöglichkeiten? Können sie ihr berufliches Selbstverständnis aufrechterhalten?
  • Welche Geschlechternormen werden bei der Integration in den Arbeitsmarkt wirksam und inwiefern interagieren sie mit Zuschreibungen aufgrund von sozialer Herkunft und Nationalität? Wie reagieren Migrantinnen auf Normen bezüglich der Selbst-Organisierung und Selbst-Rationalisierung, die als charakteristisch für den Strukturwandel der Arbeit gelten?
  • Welchen strukturellen Barrieren und Beschränkungen begegnen sie und welche Erkenntnisse lassen sich daraus für weibliche Karriereverläufe im Allgemeinen ableiten?

 

Vorgehensweise

Um diese Fragen beantworten zu können, wird eine mehrstufige empirische Untersuchung durchgeführt:

  1. Auf der Basis repräsentativer Daten aus dem Sozioökonomischen Panel (SOEP) werden Erwerbsverläufe und die Allokation hochqualifizierter Migrantinnen in Technik und Naturwissenschaften analysiert.
  2. Es werden der rechtliche und politische Kontext sowie der öffentliche Diskurs zur Einwanderung Hochqualifizierter untersucht.
  3. Mit Hilfe qualitativer Interviews werden Erwerbsverläufe rekonstruiert und Mechanismen analysiert, die bei der Allokation von hochqualifizierten Migrantinnen auf dem deutschen Arbeitsmarkt wirksam werden. Dabei werden drei Gruppen von hochqualifizierten Migrantinnen ausgewählt sowie zum Vergleich eine Gruppe von Frauen ohne Migrationshintergrund, die im Bereich der Informatik, Natur- und Ingenieurwissenschaften einer Erwerbsarbeit nachgehen.
  4. Aus den aufbereiteten und ausgewerteten Daten lassen sich konkrete Leitlinien und Empfehlungen für Unternehmen, Hochschulen und Politik ableiten, die die Erfordernisse, aber auch die Möglichkeiten für eine erfolgreiche Integration darlegen.

Die einzelnen Teilvorhaben werden dabei von folgenden Verbundpartnerinnen bearbeitet:

  • Humboldt-Universität zu Berlin: Hier werden die Erwerbsverläufe von Migrantinnen untersucht, die nicht im Zuge der Arbeitsmigration, sondern beispielsweise im Rahmen der Familienzusammenführung oder als Kontingentflüchtlinge nach Deutschland zuwanderten.
  • Technische Universität Hamburg-Harburg: Hier wird die Integration von Migrantinnen in Unternehmen im Technologiesektor analysiert.
  • RWTH Aachen: Hier wird der Integration von Migrantinnen in der Spitzenforschung an deutschen Hochschulen nachgegangen.

 

Das Hamburger Teilprojekt: Migrantinnen in Unternehmen

Im Rahmen des Forschungsprojektes "Die Integration hochqualifizierter Migrantinnen auf dem deutschen Arbeitsmarkt" werden an der TU Hamburg-Harburg die Erwerbsverläufe von hochqualifizierten Migrantinnen in Unternehmen untersucht. Im Fokus stehen Migrantinnen, die bereits in ihren Heimatländern den hochschulqualifizierenden Abschluss beziehungsweise sogar einen Studienabschluss erworben haben und in Deutschland in Unternehmen im Bereich der Informatik, Natur- und Ingenieurwissenschaften tätig sind.

Ausgangsituation

Ausgangslage ist auch hier die auffallend niedrige Beschäftigungsquote von hochqualifizierten Migrantinnen, die eine ihrem Abschluss entsprechende Stelle in Unternehmen begleichen. Auch wenn zahlreiche Unternehmen einen Fachkräftemangel beklagen und einen Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Ländern befürchten, bleibt die Zahl internationaler Arbeitsmigrantinnen in Unternehmen in Deutschland verhältnismäßig gering. Dabei nimmt gerade für hochqualifizierte Migranntinnen die Teilhabe am Arbeitsmarkt höchste Priorität ein.

Wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge sehen sich Migrantinnen jedoch mit großen Schwierigkeiten bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt konfrontiert. Häufig bleibt ihnen der Zugang zum Arbeitsmarkt in Deutschland verwehrt beziehungsweise müssen sie auf qualifikationsinadäquate Beschäftigungen ausweichen. Die Ursachen dafür sind vielfältig und in unterschiedlicher Weise miteinander verbunden. So nimmt beispielsweise nicht nur das Geschlecht, sondern auch die Nationalität oder die soziale Herkunft Einfluss darauf auf, welche Art von Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Ferner reglementieren Einwanderungsbestimmungen, vor allem, wenn sie - wie es in Deutschland der Fall ist - auf bestimmte Branchen ausgerichtet sind, den Zugang zum Arbeitsmarkt und die Art und Weise des Beschäftigungsverhältnisses. Darüber hinaus ist der höchst komplexe und langwierige Prozess der Anerkennung von Qualifikationen und Abschlüssen entscheidend für den weiteren beruflichen Werdegang und die Karriereoptionen. Die im Ausland erworbenen Kenntnisse und sogenannten Soft-Skills lassen sich dabei nicht immer ohne Weiteres in einen anderen Kontext transferieren. Hochqualifizierte Migrantinnen scheinen somit keineswegs über einen einfachen Zugang zum Erwerbssystem zu verfügen, wie es im politischen und öffentlichen Diskurs häufig postuliert wird.

Ziel

Die Zielsetzung dieser Teilstudie ist es daher Erkenntnisse über die Zugangschancen von hochqualifizierten Migrantinnen zum Erwerbssystem in Deutschland insbesondere in Unternehmen zu gewinnen. Einzelne Forschungsfragen beschäftigen sich dabei mit der Rekrutierung von Fachpersonal, rechtlichen und organisatorischen Barrieren, wie beispielsweise der Vergleichbarkeit von Bildungsabschlüssen, der Integration in Unternehmen und etwaigen Abgrenzungsprozessen. Darüber hinaus soll aber auch der Frage nachgegangen werden, inwieweit sich Normen, Werte und Einstellungen bezüglich des Geschlechts und des beruflichen Selbstverständnisses ändern sowie inwieweit sich der Beruf mit der Familie beziehungsweise dem Privatleben vereinbaren lässt.

Vorgehensweise

Im Rahmen des mehrstufigen Forschungsdesigns wird in der praktischen Umsetzung ein Methodenmix angewandt. Zunächst werden leitfadengestützte Experteninterviews geführt. Dafür werden Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Praxis von Personen eingeholt, die beispielsweise in der Personalvermittlung, im HR-Recruitment beziehungsweise in der Personalabteilung oder im Diversity Programm von Unternehmen tätig sind. Diese Vorgehensweise ermöglicht neben einer ersten Orientierung das Sammeln relevanter Daten und Fakten. Im Anschluss erfolgt eine ebenso leitfadengestützte Befragung von hochqualifizierten Migrantinnen, die einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in einem Unternehmen nachgehen. Hierbei gilt es typischen Erfahrungen nachzugehen, Handlungsspielräume aufzuzeigen und etwaige strukturelle Barrieren aufzuspüren.

  • Die dabei gewonnenen Erkenntnisse werden mit Sekundärdaten, das heißt mit Daten, die nicht eigens für diese Untersuchung erhoben wurden, sondern auf Angaben von diversen Institutionen, Organisationen oder anderen wissenschaftlichen Studien zurückgehen, verknüpft und mit der aktuellen Forschungsliteratur verglichen.
  • Nach der Aufbereitung und Analyse der gewonnenen Daten können wesentliche Zusammenhänge und etwaige Besonderheiten in dem Eingliederungsprozess hochqualifizierter Migrantinnen aufgezeigt werden. Damit erfolgt neben der Darstellung der sozialen Realität von Migrantinnen in Deutschland eine empirische Anreicherung theoretischer Ansätze aus der Migrationssoziologie sowie aus der Gender- und Diversity-Forschung.